Tourminator: Lance Armstrong dominierte das Rennen bei seinem sechsten Sieg wie nie zuvor

Paris. Lance Armstrong hat als erster Radrennfahrer der Welt zum sechsten Mal die Tour de France gewonnen. Schon am Start zur 20. und letzten Etappe der 91. Frankreich-Rundfahrt in Montereau hatte der 32-Jährige US-Amerikaner für Fotografen und Kameraleute mit der rechten Hand und dem Zeigfinger der linken seine historische Leistung vorgerechnet. Wohlwissend, dass seine Rivalen längst geschlagen waren. Denn nie zuvor zeigte sich der Texaner so überlegen.

Als sich der Italiener Filippo Simeoni drei Tage zuvor aus dem Hauptfeld absetzen und zur Spitzengruppe aufschließen wollte, holte ihn Armstrong höchstpersönlich zurück. Die Szene hatte etwas Symbolhaftes. Nicht nur, dass der Texaner mit Hilfe seines Teams US-Postal die unmittelbaren Konkurrenten souverän in Schach hielt. Er konnte es sich auch noch leisten, mit einem Akt von Selbstjustiz seinen Privatkrieg zu führen.

Seit Simeoni in einem Dopingprozess gegen Armstrongs Arzt Michele Ferrari ausgesagt hat, wird er von dem Superstar, den er nach einer Replik sogar wegen Rufmordes verklagte, bekämpft. "So ein Mann hat bei der Tour an der Spitze nichts zu suchen", begründete Armstrong seinen ungewöhnlichen Einsatz. "Simeoni spuckt in die Suppe, die uns alle ernährt." Er habe für seine Aktion viel Lob von den Kollegen erhalten, sagte der Amerikaner der sich wieder mal wie ein Asphaltcowboy aufführte.

Armstrong präsentierte sich im sechsten Jahr seiner Tour-Regentschaft kompromissloser und unnachgiebiger denn je. Die Hoffnungen seiner Rivalen, die Ära des Titelverteidigers könne nach der schmerzhaften Scheidung von Ehefrau Kristin und der dürftigen Generalprobe bei der Dauphine Libere diesmal zu Ende gehen, erfüllte sich nicht.

Vielleicht hat er auch alle wieder einmal nur bewusst getäuscht. Seis drum, Armstrong beherrscht das Showbusiness jedenfalls perfekt. Vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil er jetzt mit der zehn Jahre älteren Popsängerin Cheryl Crow liiert ist und seit ihrem ersten Zusammentreffen bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Herbst 2003 wesentlich öfter auf Partys gesichtet wurde als zuvor.

Doch über das glamouröse Leben im Rampenlicht hat der Perfektionist nie seine Mission vergessen. Und dass diese keine Nachlässigkeiten beim Training verzeiht. Also hat er sich genauso geschunden, wie all die Jahre zuvor. Ist die wichtigsten Pässe in den Alpen und den Pyrenäen vor der Tour nicht nur dreimal abgefahren, sondern zehnmal. Hat sich nach dem Verbot seines Zeitfahrhelms im Windkanal eine neue Sitzposition erarbeitet und dabei auch gleich die Nähte seines neuen Rennanzugs getestet. Und nahm auch wieder die schmerzhafte Trennung von seinen Kindern Luke (5) sowie den Zwillingstöchtern Isabelle Rose und Grace Elizabeth (3) hin, an denen er sehr hängt.

"Die Tour ist das, was mich jeden Morgen aus dem Bett bringt, was mich antreibt", hat Armstrong einmal gesagt. Doch es ist auch die fast manische Gier nach Siegen. Die hat ihn schon beseelt, als er noch Triathlet war und ausgelacht wurde, weil er angeblich keinen Sport richtig konnte und immer die falschen Klamotten trug. Spätestens aber, seit seiner Hodenkrebserkrankung 1995. Da habe er gelernt zu fighten, und hart zu sein gegen sich selbst.

Ob er seinen frustrierten Rivalen jetzt die Tour überlässt, ist nicht gewiss. "Ich bin noch nicht reif für diese Entscheidung", ließ Armstrong in Paris wissen. "Ich liebe die Tour und kann mir eine Saison ohne sie noch nicht vorstellen." Für Jan Ullrich sicher die schlechteste Nachricht des Tages . . .