Tagebuch

Manchmal wundert man sich, wo die Tour überall Station macht. Die neunte Etappe begann in Saint-Leonard-de-Noblat, einem Nest im Departement Creuse. Die Pilgerstadt auf dem Weg in den Wallfahrtsort Santiago de Compostela hat mit der großen Hauptkirche und dem Glockenturm zwar romanische Meisterwerke zu bieten. Doch nicht deshalb fiel der Tross in den nur 5000 Seelen zählenden Ort ein. Die Stippvisite galt dem berühmtesten Einwohner: Raymond Poulidor.

Von 1962 an fuhr der heute 68-Jährige 14-mal die Tour. Achtmal stand er am Ende auf dem Podest, zuletzt 1976 als 40-Jähriger auf Rang drei. Nie hat der ewige Verlierer die Große Schleife gewinnen können und fuhr auch keinen einzigen Tag in Gelb. Dennoch - oder gerade deshalb - wurde er zum Liebling der Massen. Die Fans verehrten "Poupou", weil er als tragischer Held der perfekte Gegenentwurf zu seinem großen Rivalen, dem fünfmaligen Tour-Triumphator Jacques Anquetil, war.

Obwohl die Tour Poulidor kein Glück gebracht hatte, blieb er ihr doch immer treu. In diesem Jahr ist er zum 42. Mal dabei. Nachdem "Poupou" viele Jahre Werbung für Cafe de Colombia gemacht hatte, verpflichtete ihn vor ein paar Jahren der Tour-Hauptsponsor Credit Lyonnais. Ein wahres Happy End: Jetzt darf er das Gelbe Trikot jeden Tag tragen.