Wenn man sich erst ein-mal an die verschachtelten Bandwurmsätze gewöhnt hat und furchtlos in die Wucht der bildreichen Sprache Gunther Geltingers...

Wenn man sich erst ein-mal an die verschachtelten Bandwurmsätze gewöhnt hat und furchtlos in die Wucht der bildreichen Sprache Gunther Geltingers eintaucht, wird der Roman-Erstling "Mensch Engel" zu einem Leseerlebnis.

Der Ich-Erzähler Leonard Engel schreibt über sich selbst wie von einer Figur, die ihm fremd ist und die er noch im Niederschreiben hinterfragt. Ein getriebener, von Selbstzweifeln geplagter junger Mensch ist mit einem "Leeregefühl in der Brust" auf der Suche nach sich selbst. Dabei verletzt er sich gern mal mit dem Messer oder fährt ein Auto gegen einen Baum. Engel lässt sich aus seiner mainfränkischen Heimat bis nach Wien, nach Südfrankreich und schließlich nach Köln treiben. Dabei zieht ihn das hemmungslose und selbstzerstörerische Entdecken und Ausleben seiner Homosexualität immer tiefer in die Verzweiflung: die erste Liebe zu seinen Schulfreunden Marius und Volker, das Zwischenspiel mit einer üppigen Künstlerin, Abenteuer mit dem Stricher Tiago und am Ende zwischen all dem Hass wenigstens etwas Geborgenheit bei dem Lehrer Boris.

"Mensch Engel" ist eine der bemerkenswertesten Premieren des Jahres. Geltinger, 34, der bisher Drehbücher, Hörstücke und Prosatexte schrieb, fordert den Leser mit einer komplexen Struktur aus verschiedenen Ebenen und durchlässigen Zeitschienen. Einmal heißt es: "Alle Geschichten stimmen, aber keine davon ist wahr." Schwere, aber reiche Kost.


Gunther Geltinger: Mensch Engel, Schöffling & Co., 272 S., 19,90 Euro.