Für preisbewusste Gäste schuf Jochen Kollwitz ein modernes 26-Zimmer-Haus mit vielen Extras.

Quedlinburg hat einen maroden Charme und ist rauer und spröder als mein Geburtsort. Doch gerade das macht es so interessant. Wenn man mit offenen Augen durch die Stadt geht, spürt man noch das Mittelalter, hier fehlt die Perfektion der sanierten Städte", sagt Jochen Kollwitz, der aus Wernigerode stammt. Seit gut einem Jahr gehört ihm das "Hotel Balneolum" in der Stadt am nördlichen Rand des Harzes, welche die Unesco zum Weltkulturerbe zählt. In der Tat haben die Restaurierungsbemühungen vor der Stadt haltgemacht.

Die historische Altstadt ist längst aufgemöbelt worden. Ihre kopfsteingepflasterten Straßen, verwinkelten Gassen und gemütlichen Plätze säumen 1200 Fachwerkhäuser aus sechs Jahrhunderten. Den Markt dominiert das Renaissance-Rathaus mit der Roland-Statue, südlich davon findet sich das Vermächtnis des Quedlinburger Damenstiftes, der Schlossberg mit der romanischen Stiftskirche und dem Domschatz. Der Weg zum "Hotel Balneolum" dagegen ist weniger romantisch, er führt vorbei an vernachlässigten Gründerzeit- und Jugendstilbauten. An der Bergstraße aber, wo das moderne, dreigeschossige Hotel, umgeben von einem kleinen Wäldchen, liegt, erstrahlen die Häuser wieder in neuem Glanz.

Nach der warmherzigen Begrüßung durch die Empfangsdame ist man angekommen im Reich des bedächtigen Jochen Kollwitz, der, wie auch das für seine Freundlichkeit ausgezeichnete Personal, jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung steht und bei Bedarf auch tatkräftig mit anpackt.

Der gelernte Kaufmann war schon zu DDR-Zeiten selbstständig, mit den Einschränkungen und Schwierigkeiten, die es im Sozialismus für die Privatwirtschaft gab. Nach der Wende stieg er auf in der Kaufmannshierarchie, wurde Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes in Magdeburg und schließlich dessen Landespräsident. Der Quereinsteiger ließ das dreigeschossige "Balneolum", das im Mai 2006 Eröffnung feierte, extra für eine preisbewusste Klientel bauen: "Wir wenden uns an den Durchschnittsbürger", sagt Kollwitz, der sich auf 26 modern eingerichtete Zimmer beschränkte, weil "es im Harz genug Bettenburgen gibt". Den Mittelpunkt des Hauses bildet der 300 Quadratmeter große Wellnessbereich. Jochen Kollwitz meint damit eine Marktlücke in Quedlinburg zu füllen, denn Hotels mit Spa gibt es im Ort nach seiner Aussage nicht. Das lateinische Wort "Balneolum" heißt auf Deutsch "kleines Bad" und sagt einiges über die Bescheidenheit des Hoteldirektors aus. "Ich habe bewusst einen kleinen, kuscheligen Wellnessbereich bauen lassen, damit sich die Gäste in aller Ruhe entspannen können."

Die Räume der "Oase der Sinne", wie die Badelandschaft des "Balneolums" heißt, sind geschickt aufgeteilt und geschmackvoll ausgestattet. Schwimmbad, Whirlpool, Finnsauna und Eukalyptus-Dampfbad gehören zum Wellnessangebot. Durch die großen Rundbogenfenster fällt viel Tageslicht in den sandfarbenen Poolbereich. Besonders stolz ist der Hausherr auf das Muschelbad, in dem man floaten kann, wie es in Neudeutsch so schön heißt. Anwendungen gibt es natürlich auch: von Ayurveda bis Lomi Lomi, das ist eine hawaiianische Massagetechnik. Der Hoteldirektor möchte unbedingt, "dass der Gast gestärkt in den Alltag zurückkehrt". Und sein Gästebuch gibt ihm recht. Durchweg positive Beurteilungen. Ein weiblicher Gast hinterließ gar folgendes Fazit: "Ein gelungenes Ambiente mit Suchtcharakter."

Für das leibliche Wohl im Drei-Sterne-Superior-Hotel sorgt der weltoffene und weitgereiste Chefkoch Dietmar Reiße. Er ist selbst ein großer Fan der südostasiatischen Küche, richtet die Karte allerdings hauptsächlich mediterran und regional aus. Reiße kommt aus Bad Harzburg, und so fehlt der Harzer Käse ebenso wenig auf der Karte wie die Harzer Bachforelle. Das Heimweh hat denn auch den Meister hierher verschlagen. Bis 1998 betrieb er die "Grander Mühle" in Kuddewörde nahe bei Hamburg. Heute noch fährt er alle 14 Tage in die Hansestadt, um hier Freunde zu besuchen. Aber leben möchte er doch lieber im Harz.