Großer Bahnhof für die Kunst in elf Gästezimmern.

Irgendwann herrschte Saure-Gurken-Zeit am Bahnhof von Lübbenau. Obwohl die heimliche Haupstadt des Spreewalds nur einen Katzensprung von Berlin entfernt liegt und ihr denkmalgeschützter Bahnhof aus dem Jahre 1878 an einer bis heute vom Personen- und Güterverkehr stark befahrenen Strecke liegt, sah die Zukunft düster aus. Der Bahnhof von Lübbenau stand auf der Schließungsliste der Deutschen Bahn, über die an dieser Stelle ausnahmesweise mal nicht geklagt werden soll. Denn dem Desinteresse der DB verdanken Lübbenau und seine Besucher ein überraschend anderes Hotel: das "Spreewelten".

"Für 30 000 Euro haben wir das Gebäude übernommen", erzählt Michael Jakobs, Geschäftsführer der Lübbenauer Wohnungsbaugesellschaft. "Für die Bahnhofshalle hatten wir schon ein Konzept: eine Mischung aus Stadtinformation, Souvenir- und Ticketverkauf, dazu ein gemütliches Restaurant mit Barbetrieb.

Für das Obergeschoss wünschten wir uns etwas wirklich Ausgefallenes - eine Künstlerpension. Wobei sich Künstler nicht auf die Gäste, sondern auf die Gestaltung der Zimmer bezieht." Und so gingen Ausschreibungen an Künstler in nah und fern. Die Resonanz war groß, nicht alle konnten mitmachen. Jeder Künstler bekam dasselbe Budget und gestaltete dafür eines der elf Zimmer. Statt eines Honorars wurde eine Gewinnbeteiligung sowie ein Übernachtungsrecht in den "Spreewelten" vereinbart.

Die Künstler hatten freie Hand bei der Gestaltung, nur ein Bezug zum Spreewald sollte hergestellt werden. "Einige mussten wir allerdings daran erinnern, dass in den Kunstwerken auch jemand wohnen können soll", erinnert sich Bahnhofsmanager Axel Kopsch.

Ergebnisse der schöpferischen Aktion sind das "Gemach des Wendenkönigs", ein "Feenzimmer", ein "Wohnmenü", ein "Spreewald-Express-Abteil Miss Marple" und ein Bett "Zwischen Wasser und Himmel" , das in einem halben Spreewaldkahn untergebracht ist. Der Übergang zwischen Funktion der Zimmer und Kunst ist oft fließend. So hängen in einem Zimmer über dem Bett riesenhafte Schmetterlinge, in einem anderen lässt der Cartoonist Reiner Schwalme in seinem "Unter Wasser"-Reich die Beine des Anglers von der Decke baumeln. Am "Lieblingsplatz des Schlangenkönigs" hat Ute Zepnick aus Hoyerswerda eine Königskrone versteckt. Wer sie findet, so heißt es, wird lebenslang großes Glück haben.

Die Lounge ist natürlich nach des Spreewalds Exportschlager benannt - der Gurke. An den Wänden hängen satirische Bilder, mit denen man gegen das lückenhafte touristische Halbwissen in Sachen Gurke unterhaltsam ankämpft. Für das Frühstücksbüfett sorgt das "Five" im Bahnhof, für alles andere die Restaurants der Stadt. Selten sind Kunst und Gemüse eine so fruchtbare Liaison eingegangen wie an den alten Gleisen von Lübbenau.