Wo sich Wayne Carpendale gerade frisch verliebt hat, wird der Gast schnell zum Freund und kann die Seele baumeln lassen.

Fast jeder hat es schon erlebt: feine Adresse, edles Interieur, durchgestylte Zimmer, aber hinter der Fassade alles cool und kühl, keine Herzlichkeit, keine Gastfreundschaft, keine Fröhlichkeit. Bei dem Haus in Ulsnis an der Schlei, ganz versteckt auf halbem Wege zwischen Schleswig und Kappeln im Ländchen Angeln gelegen, ist es genau umgekehrt: Das Gebäude macht zwar auf den ersten Blick nicht viel her. Aber hinter der biederen Kulisse, da lacht man gern, da wird der Gast schnell zum Freund. Noch vor dem Einzug in eines der sechs Zimmer unterm Dach, ist das Geheimnis der Mohn-Stachelbeertorte gelüftet - sowie das der zwei Wirtinnen.

Die eine, blond und blauäugig, führt den Krog mit so viel Anmut, dass ein junger, gut aussehender Landarzt gar nicht anders kann, als sich in sie zu verlieben. Nein, nicht in die echte, nicht in Hedda Krog, die wirklich so heißt und die seit Jahrzehnten mit Peter, dem Bauern vom Loithof, glücklich verheiratet ist. Aber Wayne Carpendale, ein schmales Bürschchen, das eher wie ein Medizinstudent aussieht und dennoch im nächsten Jahr den gestandenen Kollegen Walter Plathe in Deutschlands beliebtester Praxis ablösen wird, quartiert sich, so will es das Drehbuch, in diesem Gasthaus ein und verguckt sich prompt in Maren Jantzen, die Film-Wirtin, gespielt von Caroline Scholze.

Ein paar Mal wird das aufgeregte Team in diesem Sommer noch das Haus in der grünen Einsamkeit besetzen, samt Kaffeegarten und großer Koppel, die bis an die Schlei reicht. An allen anderen Tagen aber geht es wunderbar ruhig zu, entspannt und ländlich-sittlich, mit einem Strammen Max auf dem Teller, wie man ihn anderswo im dafür berühmten Schleswig-Holstein lange suchen muss. Ulsnis, mit seiner schönen, alten Kirche auf dem Dorfhügel, mit einem Pastoratsgarten, der gerade wieder zum Leuchten gebracht wird, und eben mit dem abseits gelegenen "Cafe Krog", darf ein Sehnsuchtsziel genannt werden, vor allem für gestresste Großstädter und deren Seele, die sie hier baumeln lassen können, bis der (Land-)Arzt kommt.

Über hundert Jahre, von 1863 an, wohnten in dem roten Ziegelbau die Ärmsten der Gemeinde, auch Handwerksburschen auf der Walz und, ein bisschen war es wie heute, wenn gedreht wird, buntes, fahrendes Volk. Erst 2001 übernahmen die Krogs das ehemalige Armenhaus und machten - nomen est omen - einen Krog daraus, einen norddeutschen Krug, wie er genau in diese Landschaft passt. Dazu gehört "Krog's Art", eine Galerie in der ehemaligen Scheune auf dem Grundstück, wo Kunst-Genuss weit gefasst ist: Neben geschmackvollen Geschenkartikeln wird vor allem Kulinarisches angeboten: Wurst und Schinken aus eigener Hofproduktion, hausgemachte Marmeladen und Liköre.

Die fünf Doppelzimmer, jedes mit etwa 25 Quadratmetern Grundfläche, und das einzige Single-Zimmerchen haben schräge Wände. Sie sind schlicht, zweckmäßig und allergikergerecht eingerichtet, mit Korkfußböden, hellen Möbeln, einem Fernseher und einem bemerkenswert großen Bad. Doch der Charme des Hauses liegt woanders, etwa in der "Lobby" - Achtung, hoher Wohlfühlfaktor -, die wie eine Mischung aus Bar und Dorfpinte wirkt. Oder im Cafe, mit Kamin und vielen Bildern wohnlich eingerichtet, wo oft Lesungen und kleine Konzerte stattfinden. Oder im bunt gestalteten Frühstücksraum oder auf der fast zugewachsenen Terrasse oder im großen Bier- und Kaffeegarten. Ganz gewiss auch im weiten Blick auf die Schlei, die hier wie ein langer, stiller Fluss fließt, obwohl sie doch gar keiner ist, sondern eine Förde. Auf der Weide zwischen Haus und Wasser tummeln sich Pferde, Galloway-Rinder, manchmal Rehe und gern auch Kinder.

Dazu passt das hausgemachte Kuchenangebot der Wirtin, der echten, versteht sich. Allein die besagte Mohn-Stachelbeertorte (mit Eierlikör!) lohnt die kleine Flucht in die Idylle. Noch sind die Beeren grün und stammen aus der Dose. Ab Ende Juli sind sie rot, und Hedda Krog pflückt sie vom eigenen Feld. Anschließend die Kalorien abzuwandern oder abzustrampeln ist kein Problem: Wander- und Radwege, ideal auch für Familien mit kleineren Kindern, beginnen vor der Haustür. Eine beliebte Route führt durch die Schleidörfer Lindaunis und Grödersby nach Arnis, mit etwas über 300 Einwohnern Deutschlands kleinste Stadt.

Vor Kurzem gab es übrigens ein "Klappenfest" am Set. Die Fernseh-Crew hat die geglückten Szenen der ersten vier oder fünf Drehtage für die Fernsehserie gefeiert. Alle waren da, Heinz Reincke im Rollstuhl, beide Wirtinnen und hinter der Buchsbaumhecke das halbe Dorf. Doch man mag es kaum glauben, Wayne Carpendale hat sich dabei schon wieder verliebt. Diesmal in Heddas zweitberühmtesten Kuchen, die "Trümmertorte" mit Baiser und Rhabarbersoße.