Vom Fachmann lernen die Schüler, was beim Anschreiben zu beachten ist, wie ein sicheres Auftreten beim Vorstellungsgespräch aussieht und was man auf die Frage nach den persönlichen Schwächen antwortet.

Sechste und siebte Stunde: Das Ende des Schultags ist nicht mehr weit. Der Kopf wird schwer, die Motivation sinkt gegen null. Wer kennt das nicht? Doch wenn sich ein besonderer Besuch angekündigt hat, sieht die Sache gleich ganz anders aus. Den erhielten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 13c des St.-Viti-Gymnasiums in Zeven aus Hamburg. Zu Gast war Claus Peter Müller-Thurau, Diplom-Psychologe, Personalberater und Autor. Seine Mission: ein Klassen-Coaching.

Dass die Klasse in dessen Genuss kam, hat sie ihrer Mitschülerin Miriam Kaiser zu verdanken. Sie war es, die sich für die Schüleraktion des Hamburger Abendblatts im letzten Ausbildungsjournal mit einer Postkarte beworben hatte und nun zusammen mit ihren Mitschülern um einiges schlauer ist. So hat sie zum Beispiel erfahren, wie ein gelungenes Bewerbungsschreiben auszusehen hat: Es muss fehlerlos, kurz und knapp sein und die persönliche Anrede darf nicht fehlen. "Lassen Sie stets eine zweite Person das Anschreiben durchschauen", empfiehlt Personalberater Müller-Thurau. Er gibt zu, dass besonders der Anfang des Anschreibens so schwer sei wie das Verfassen eines Liebesbriefs. Sein Rat: einen klassischen Einstieg wählen und auf übertriebene Originalität verzichten. Außerdem erfahren die Schüler der 13c, dass zu einem Bewerbungsschreiben ein ordentliches Porträt, und zwar kein Urlaubsfoto, saubere Kopien von Arbeits- und Praktikumszeugnissen sowie ein strukturierter, übersichtlicher Lebenslauf mit Angabe aller Kompetenzen gehören.

Zweites Thema ist das Bewerbungsgespräch. "Tritt fest auf, mach's Maul auf, hör bald wieder auf", zitiert Claus Peter Müller-Thurau Johann Wolfgang von Goethe. Klar, dass er da die Lacher auf seiner Seite hat. Was sich zunächst lustig anhört, lässt sich ohne Weiteres auf ein Bewerbungsgespräch übertragen. So geht es laut Müller-Thurau in dieser Situation vor allem darum zu zeigen, dass man sicher auftreten und sich ausdrücken kann. Damit das gelingt, ist unbedingt auf Augenkontakt, auf eine überzeugende Körpersprache und eine aufrechte Sitzhaltung zu achten. "Bereiten Sie sich gut vor, zum Beispiel durch das Lesen von Artikeln in der für das Wunschunternehmen relevanten Wirtschafts- oder Branchenpresse. Seien Sie pünktlich, nehmen Sie etwas zum Schreiben mit und biedern Sie sich auf keinen Fall an", so die Empfehlung des Gastes. Nach seiner Erfahrung kommt es außerdem gut an, wenn Bewerber zuhören, wenn sie sich auf das Gehörte beziehen und gegebenenfalls Fragen stellen.

Was mit kritischen Fragen der Personalreferenten sei, will eine Schülerin wissen. Da, so der Coach, gelte es etwas zu sagen, was einen als Bewerber nicht aus dem Rennen wirft. Wirklich ehrliche Antworten seien in dieser Situation nicht erwünscht. "Mir fehlt die Praxis" oder "Schule ist nicht gleich Betrieb, da muss ich mich sicher umstellen" seien angemessene Antworten auf die Frage nach eigenen Schwächen.

Im letzten Teil des Coachings zückt Müller-Thurau einen Psychotest mit typischen Aufgaben aus den Bereichen Kombinationsfähigkeit, Urteilsbildung, Beweglichkeit im Denken und Vorstellungsfähigkeit. Da muss man etwa herausfinden, dass sich "Gramm" zu "Gewicht" wie "Stunde" zu "Zeit" verhält. Oder es sind logische Zahlenreihen zu vervollständigen.

Die zwei Coaching-Stunden vergehen wie im Flug. Miriam Kaiser und die anderen sind begeistert. "Das hat mir total viel gebracht", sagt Miriam. Klassenkamerad Ingmar Fröhlich fand die Veranstaltung "extrem hilfreich und serviceorientiert". Ein Bewerbungsgespräch müssen die beiden in nächster Zeit aber nicht vorbereiten: Sie wollen zunächst einmal studieren.