Aus ganz Italien kommen die Menschen in Sonderzügen nach Rom

Rom. "Ich bin genauso traurig, als wäre es mein Vater." Die römische Rentnerin weint auf dem Petersplatz um den Papst. Junge Paare umarmen sich zum Trost. Ein kleines Mädchen kommt an der Hand seiner Mutter auf den Platz vor dem Petersdom, um die große Messe am Morgen nach dem Tod von Johannes Paul II. zu erleben. "Mama, mir kommen die Tränen", sagt die Achtjährige mit dem Pferdeschwanz und sieht ein bißchen schüchtern überrascht zu ihrer Mutter auf.

Ganz Rom erwartete seit Tagen die Nachricht, daß der Todeskampf des alten und schwerkranken Kirchenoberhauptes endlich ein Ende findet. Bei seinen letzten kurzen Auftritten in der Öffentlichkeit litten die Menschen mit ihm, ob sie gläubig waren oder nicht. In Rom war Johannes Paul II. nicht nur das Oberhaupt der katholischen Kirche, sondern auch eine Art Großvater für alle. Auch wer sich nicht an seine strengen Regeln in Sachen Verhütung und Abtreibung hielt, fühlte sich doch mit ihm verbunden. Da machte es auch nichts, daß er kein Römer, sondern Pole aus Wadowice war, der italienisch mit Akzent sprach.

Die hektische Stadt am Tiber verwandelt sich innerhalb weniger Stunden in einen Ort der Trauer. Aus ganz Italien kommen Pilger mit Sonderzügen. Vom Bahnhof Termini werden sie mit Shuttle-Bussen zum Vatikan gebracht. Selbst in entlegenen Stadtvierteln gibt es am Tag nach dem Tod des Papstes kein anderes Gesprächsthema beim Espresso in der Bar. "Endlich hat er es geschafft", sagen die einen. Viele andere hatten trotz der nicht abreißenden Reihe von Nachrichten über dramatische Verschlechterungen seines Gesundheitszustands auf ein Wunder gehofft. Durch sein schonungslos öffentliches Leiden hatte er zuletzt noch viele Herzen erobert.

Aber am Sonnabend abend um 21.37 war es vorbei. Der Leibarzt von Johannes Paul II., Renato Buzzonetti, stellte am nächsten Tag offiziell als Todesursache fest: septischer Schock und irreversibler Herzkreislaufzusammenbruch.

Der Patient habe zudem unter Parkinson, Atembeschwerden, einer Vergrößerung der Prostata, Blasenentzündung und Bluthochdruck gelitten. Als der Vatikan am selben Abend verkündete, zu den anderen Beschwerden sei hohes Fieber dazugekommen, wußten die Römer, was die Stunde geschlagen hatte. Vor allem Jugendliche machten sich sofort auf den Weg zum Petersplatz. Nach der Todesnachricht gingen auch zwei römische Mittvierzigerinnen zu Fuß zum Platz. Eine von ihnen hatte im Rucksack zwei Klappstühle dabei: "Wir sind nicht mehr so jung wie die anderen hier", sagten sie freimütig. Die Jugendlichen legten Kreuzzeichen aus Teelichten und Kerzen auf das Pflaster des Platzes und setzten sich daneben.

Nach der Messe am Sonntag wurde der Papst in ein weißes Gewand und eine rote Stola gekleidet in der Sala Clementina im Apostolischen Palast aufgebahrt. Nach der langen Agonie wirkte sein eingefallenes und vom Leiden der letzten Tage gezeichnetes Gesicht unter der großen weißen Mitra verschwindend klein. Kardinäle, Bischöfe, Italiens Regierung und Kurienangestellte erwiesen dem Papst die letzte Ehre.

Nicht nur Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi und seine Frau Franca, die mit dem Verstorbenen befreundet waren, konnten die Tränen nicht zurückhalten. Selbst der Chef der Linksdemokraten, Piero Fassino, weinte beim Anblick des Leichnams von Johannes Paul II.: Er wird schon jetzt als Heiliger verehrt, nicht nur von seinen Anhängern.