Kommentar

Das Wort Papst bedeutet Vater. Als Oberhaupt der Katholischen Kirche ist der Papst Nachfolger des Apostels Petrus, dessen Name Felsen bedeutet - jener Felsen nämlich, auf dem die Kirche ruht. Demnach ist der Papst also geistlicher Vater der Gläubigen und trägt die Institution Kirche.

Johannes Paul II. ist vor allem der ersten Verpflichtung in einer Weise nachgekommen, die ihn nach Ansicht vieler Anhänger unter die größten Päpste der 2000jährigen Kirchengeschichte einreiht. Dieser Umstand und das strahlende Charisma des Mannes aus Krakau, seine berührende Menschlichkeit im heiligen Amt, stellen nun eine enorme Hypothek für jeden Nachfolger dar.

Doch Johannes Paul hat dem nächsten Pontifex auch die schwere Aufgabe hinterlassen, die Dogmen der Kirche auf Kompatibilität mit dem Lebensstil des 21. Jahrhunderts zu überprüfen. Denn der slawische Traditionalist hat sich hier keine Handbreit bewegt, schon gar nicht auf den Feldern Zölibat, Frauenordination und Empfängnisverhütung.

Doch Fragen, wie die Bevölkerungsexplosion in bitterarmen Staaten ohne Verhütungsmittel eingedämmt werden oder warum die weibliche Hälfte der Gläubigen von Priesterämtern ausgeschlossen bleiben soll, stellen sich immer drängender. Selbst in gläubigen Ländern wie Italien oder Polen ist die Diskrepanz zwischen dem persönlichen Ansehen Karol Wojtylas und dem der Kirchendoktrin enorm. Die überlebensgroße Persönlichkeit Johannes Pauls II. hat diesen Riß überstrahlt. Seinem Nachfolger wird dies kaum vergönnt sein.

Das Kardinalskonklave hat nun die Wahl: Es kann zunächst einen hochbetagten Übergangskandidaten küren, um der Kirche eine Atempause zu gewähren. Oder demonstrativ einen strengen Traditionalisten, um die alten Dogmen weiterhin zu bewahren. Oder aber das Wagnis eingehen, einen unkonventionellen Reformer für die Kirche des dritten Jahrtausends zu wählen.