Die Menschen aus Krakau und Wadowice hat der Papst nie vergessen

Krakau. Zehntausende verharren und knien nieder auf den Straßen der Innenstadt. Sie senken die Köpfe und bekreuzigen sich. Teelichter flackern, und gelbe Lilien verbreiten den schweren Duft der Trauer. Im Chor beginnen die Gläubigen zu beten: "Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name." Krakau, 22.06 Uhr, in der Nacht zum Sonntag. Die Menschen nehmen Abschied von Karol Wojtyla, ihrem Papst, der hier studierte und als Bischof wirkte.

Das ganze Wochenende hat die Stadt in stiller Trauer verharrt, gewartet auf jedes neue Bulletin aus dem Vatikan. Plötzlich begannen die Kirchenglocken mitten in der Nacht zu läuten. Eine Trompete ertönte vom Turm der Marienkirche. Dann die Gewißheit. "Der Heilige Vater ist von uns gegangen", verkündete die Stimme eines Geistlichen über Lautsprecher vor der Bischofs-Residenz der Stadt.

Die Menschen stehen unter Schock. Junge Mädchen weinen, halten einander an den Händen. Andere reagieren nicht so gefaßt: Einer älteren Frau wird schwindelig. Sie kippt um. Die Anteilnahme und Trauer, sie sind Ausdruck der tief empfundenen Liebe für Johannes Paul II. "Er hat uns die Freiheit gelehrt und erklärt", sagt Elzbieta Jaworowicz. Die Krakauer werden es nie vergessen, daß er 1979 wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst die Heimat besuchte.

Emil Rzycki (75) kommt aus Wadowice. Es ist der Ort, in dem Johannes Paul II. geboren wurde. Hier nennen sie ihn liebevoll nach seinem Spitznamen "Lolek". Rzycki erinnert sich: "1966 war Lolek noch Bischof in Krakau. Sein ehemaliges Gymnasium wollte das 100. Jubiläum feiern. Doch die Behörden bekamen Angst vor einer Demonstration, vor einem Menschenauflauf, und schlossen die Schule. Lolek verlegte die Jubiläumsfeier kurzerhand in die Kirche und hielt eine wunderschöne Predigt."

Dieser Papst hat die Menschen aus Krakau und Wadowice nie vergessen. Es gibt viele, die Post von ihm bekamen. Ein Junge sogar noch aus dem Krankenhaus kurz vor Ostern. Wenn die Menschen aus der Heimat Johannes Paul II. bei Audienzen besuchten, fragte er stets nach gemeinsamen Bekannten, nach Schulfreunden. So auch Teresa Len, 65. Sie hält einen Rosenkranz in ihren Händen und kämpft mit den Tränen, als sie erzählt: "Er kennt meine ganze Familie. Meinen Mann, meine Söhne, meine Enkel. Als er mich zum letzten Mal umarmte, drückte er meine Hände ganz leicht und schaute mir direkt in die Augen. Ich wußte auf einmal alles. Es gab nur ihn und mich, uns beide. Ich sah in eine Sonne.

Und jetzt hat Gott diese Sonne zu sich geholt."