Die Welt trauert um den Papst - Wohin steuert jetzt die Kirche?

Rom. Millionen Menschen in aller Welt trauern um Papst Johannes Paul II.

Kardinal Angelo Sodano berichtete, der 84jährige sei am Ende seines qualvollen Leidensweges von tiefem Gottvertrauen erfüllt gewesen. Er sei mit der "Gelassenheit eines Heiligen" gestorben.

Während Politiker und Repräsentanten der Weltreligionen den Papst aus Polen als einen der ganz Großen der Weltgeschichte würdigten, protokollierte der Vatikan in beispielloser Offenheit die letzten 97 Minuten im Leben des Kirchenoberhauptes.

Es war ein Moment der Stille und der Andacht im Kreis seiner engsten Vertrauten. Um 20 Uhr begann am Sonnabend in den päpstlichen Gemächern im Vatikan eine Messe zum Fest der Göttlichen Gnade. Zelebriert wurde sie von Erzbischof Stanislaw Dziwisz, dem Privatsekretär des Papstes, sowie dem polnischen Kardinal Marian Jaworski und zwei polnischen Prälaten.

Anschließend erhielt Johannes Paul II. auf dem Sterbebett noch einmal die Krankensalbung - früher bekannt als letzte Ölung - und die heilige Kommunion. Dann schrieb er mit zitternder Hand tröstende Worte auf einen Zettel: "Ich bin froh, seid ihr es auch."

Bevor sein Herz aufhörte zu schlagen, blickte der abgemagerte Papst zum Fenster, das auf den Petersplatz hinausgeht. Dort beteten Zehntausende Menschen den Rosenkranz. Der polnische Priester Jarek Cielicki berichtete, der Papst, der seit seiner Operation an der Luftröhre nicht mehr sprechen konnte, habe am Ende des Gebets der Gläubigen seine rechte Hand erhoben - wie zum Segen: "Dann hat er mit letzter Lebenskraft das Wort Amen (es geschehe) gesprochen. Einen Augenblick später starb er." Er hatte die Kirche 26 Jahre regiert.

Im Moment seines Todes um 21.37 Uhr waren die beiden Sekretäre, Dziwisz und Monsignor Mieczyslaw Mokrzycki, Kardinal Jaworski, Erzbischof Stanislaw Rylko, Pfarrer Tadeusz Styczen, polnische Nonnen und Ärzte anwesend. Danach erschienen die vom Protokoll vorgeschriebenen Würdenträger, unter ihnen Kardinal Angelo Sodano, Nummer zwei des Vatikans, und Kardinalkämmerer (Camerlengo) Eduardo Matinez Somalo sowie der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger. In aller Welt läuteten Kirchenglocken.

Der einbalsamierte Leichnam des Pontifex wurde gestern im Apostolischen Palast im Vatikan aufgebahrt. Von heute an haben Trauernde Gelegenheit, Johannes Paul II. im Petersdom die letzte Ehre zu erweisen, bevor er voraussichtlich Mitte der Woche beigesetzt wird. Rom rüstet sich für den Ansturm Hunderttausender Pilger.

Im Vatikan haben zugleich erste Richtungskämpfe um die Zukunft der katholischen Kirche begonnen. In Zeiten religiösen Rumorens und der Herausforderung der Globalisierung befürworten viele der 117 Kardinäle, die in etwa zwei Wochen im Konklave den Nachfolger wählen werden, einen Papst, der die Kirche auf einen inneren Reformkurs steuert und sich weniger um die Öffentlichkeit kümmert. Laut Vatikan-Experten sind die Würdenträger in zwei Lager gespalten. Dabei stehen der italienische Kardinal Carlo Maria Martini für einen neuen liberalen Kurs, der deutsche Kurienkardinal Ratzinger dagegen für die bisherige streng konservative Linie.