Das Landgericht Lüneburg verurteilt den 37-Jährigen Kevin G. zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung

Eigentlich hatte Kevin G. den Ausstieg aus dem Drogensumpf schon einmal geschafft. Sieben Jahre lang war der Lüneburger clean, bevor ihn im vergangenen Jahr seine Freundin verließ und er wieder abrutschte. Konsumiert habe er "alle Drogen, außer Crack" sagte der arbeitslose Mann vor dem Amtsgericht Lüneburg, wo er sich wegen Diebstahls verantworten muss.

In der Anklageschrift wird ihm vorgeworfen, trotz eines gegen ihn bestehenden Hausverbots in ein Lüneburger Kaufhaus gegangen zu sein und dort einen Herrenduft im Wert von etwa 100 Euro eingesteckt zu haben. Als ihn ein Ladendetektiv ansprach, der ihn dabei beobachtet hatte, wie er den Flakon aus der Verpackung genommen hatte, reagierte Kevin G. aggressiv. Er beschimpfte den Mann, der einen Kollegen zu Hilfe holen musste.

Zwei Wochen später ging Kevin G. in ein anderes Geschäft in der Lüneburger Innenstadt. In einer Umkleidekabine probierte er einen Anzug im Wert von etwa 100 Euro an und versuchte, den Laden zu verlassen. Als das Etikett im Sakko am Eingang des Ladens die Alarmanlage auslöste, flüchtete Kevin G. Er konnte erst nach einer wilden Verfolgungsjagd von Polizeibeamten in der Heiligengeiststraße gestellt werden.

Weil Kevin G. ohne zu zögern die Taten eingesteht, kann auf die Befragung von Zeugen verzichtet werden. "Warum haben Sie das gemacht, obwohl sie gerade zwei Monate zuvor wegen Diebstahls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sind?", fragt die Richterin den Angeklagten. "Ich wollte das verkaufen um etwas zu Essen zu kaufen" sagt Kevin G. und fährt sich mit den Händen durch die stoppelkurzen blonden Haare. Er spricht mit schleppender Stimme und wirkt abwesend. "Ich bekomme Hartz IV, aber den reduzierten Satz, weil ich es nicht schaffe, so viele Bewerbungen zu schreiben, wie das Arbeitsamt verlangt. Von dem Rest muss ich noch Kontogebühren und zwei laufenden Geldstrafen bezahlen, so dass es am Ende des Monats nicht reicht."

Während der Verhandlung fallen dem 37-Jährigen immer wieder die Augen zu und sein Kopf sinkt auf die Brust. Kevin G., der auf eigenen Wunsch vor wenigen Wochen eine Drogenentgiftung in der Psychiatrischen Klinik Lüneburg absolviert hat, nimmt unter ärztlicher Aufsicht Methadon ein. Sein Ziel ist es, den Konsum von Methadon schrittweise zu reduzieren, um in Zukunft wieder ein drogenfreies Leben zu führen. "Ich will von hier weg. Ich möchte nach Berlin umziehen und dort an einem Programm teilnehmen, dass mir schon einmal geholfen hat." In der Vergangenheit hat der Angeklagte immer wieder Straftaten begangen, zumeist Diebstähle, um seine Drogensucht zu finanzieren.

Der Staatsanwalt fordert trotz der einschlägigen Vorstrafen, die von ihm vorgeschlagene Freiheitsstrafe von neun Monaten noch einmal auf Bewährung auszusetzen. Der Angeklagte habe eine letzte Chance verdient. Kevin G. entschuldigt sich in seinem letzten Wort bei den beiden Ladendetektiven für die Beleidigungen.

Die Richterin spricht den Angeklagten schuldig und verurteilt ihn zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. "Ich habe das Gefühl, dass Sie das Unrecht Ihrer Taten eingesehen haben", sagt sie zur Begründung. Zudem ordnet sie an, dass Kevin G. so bald wie möglich eine stationäre Entgiftung absolvieren muss. Anschließend wird ihm auferlegt, sein Leben ohne Drogen bei einer Berliner Suchthilfeeinrichtung fortzusetzen.