Zuletzt ging jede Menge schief im Leben von Gregor M.* Als er seinen Job verlor, geriet auch seine Ehe in Turbulenzen. Einem Rosenkrieg folgte die Scheidung, der Mann wurde krank. Dennoch versuchte Gregor M. den beruflichen Neustart.

"Ist ja nicht so einfach, als Postler, da kann man nur in der Branche bleiben", sagt der Mittvierziger, der sich vor dem Amtsgericht Lüneburg wegen versuchten Betrugs verantworten muss.

Als Kurierfahrer stellten ihn die Inhaber eines privaten Paketdienstes zunächst ein halbes Jahr auf Probe ein. Weil die 400 Euro, die er mit der Arbeit verdiente nicht zum Leben ausreichten, beantragte er zusätzlich Sozialleistungen bei der Agentur für Arbeit. "Wie viele Stunden haben Sie denn gearbeitet?" fragt die Richterin. "Jeden Tag zwölf Stunden." Dass dabei der Stundenlohn weit unter fünf Euro lag, sei in der Branche üblich. Außerdem stellten ihm die Inhaber immer wieder eine Festanstellung in Aussicht, so dass er die Bedingungen akzeptierte, rechtfertigt sich M. Als er den Führerschein verlor, fuhr seine Lebensgefährtin seine Touren, ohne dass das in der Firma jemand merkte.

Stutzig machen die Richterin die Zahlungen, die Gregor M. neben Lohn und Unterstützung vom Amt noch erhielt: Reisekosten, immerhin knapp 1000 Euro im Monat. "Das sind die Betriebskosten für den Lieferwagen, wurde mir gesagt", versucht Gregor M. eine Erklärung. Unterschrieben hatte er Blanko-Quittungen, die ihm die Arbeitgeber angeblich zwischendurch unter die Nase hielten.

"Das macht doch keinen Sinn", unterbricht die Richterin. "Das war doch ein Firmenauto, was sie privat nicht genutzt haben. Was sollten Sie denn quittieren, wenn Sie gar keine Kosten haben?" Darauf weiß der Mann, an dessen linkem Ohrläppchen ein Glitzerstein blinkt, keine Antwort. Komisch sei ihm das schon vorgekommen, gibt er zu. Er habe nichts gesagt, weil er nicht riskieren wollte, den Job zu verlieren. Ungläubig fragt die Staatsanwältin nach, warum Gregor M. sich unter den geschilderten Arbeitsbedingungen nicht an das Arbeitsgericht gewandt habe. "Da hätte ich ja gleich zu Hause bleiben könne", lautet resigniert die Antwort. "Es ist mir klar, dass Arbeitnehmer heute unter enormen Druck stehen, aber diese Geschichte riecht nach Beihilfe zur Steuerhinterziehung."

Nach einer kurzen Beratung mit seinem Verteidiger zieht Gregor M. den Einspruch gegen den Strafbefehl zurück. Die Richterin spricht Gregor M. des Betruges schuldig. "Ihr Arbeitgeber hat sich auf unglaubliche Weise auf ihre Kosten bereichert. Aber sie hätten diese Praxis anzeigen müssen", begründet die Vorsitzende ihr Urteil. Um eine Geldstrafe kommt M. herum, wenn er sich in den nächsten zwei Jahren nichts zuschulden kommen lässt.

* Name geändert