Folgenschwerer Streit: Wegen versuchten Totschlags muss sich ein 37-Jähriger aus Deutsch Evern vor dem Landgericht Lüneburg verantworten.

Lüneburg. Zu einem handfesten Streit kam es am zweiten Weihnachtsfeiertag 2010 im Lüneburger Lokal "Jekyll & Hyde". Weil im Verlauf der Auseinandersetzung ein 37-Jähriger mit einem abgebrochenen Weizenbierglas auf einen 22-Jährigen losging und ihn am Kopf schwer verletzte, muss sich der Angreifer nun vor dem Lüneburger Landgericht wegen versuchten Totschlags und Körperverletzung mit Waffen verantworten.

Marc F., der keinen Schulabschluss hat und von Sozialhilfe lebt, kämpft seit Jahrzehnten mit seiner Medikamenten- und Drogensucht. Auch am Tattag habe er Heroin, sowie große Mengen starke Beruhigungsmittel konsumiert. Außerdem habe er eine halbe Flasche Korn bei einer Nachbarin getrunken.

Wie er in die Bar gekommen sei, daran könne er sich nicht erinnern, fasste der forensische Psychiater zusammen, der den Angeklagten als Sachverständiger untersucht hat. Marc F. sei zudem sehr niedergeschlagen gewesen, weil wenige Tage zuvor sein Dobermann gestorben sei. Der Angeklagte, der zurzeit in Untersuchungshaft sitzt, äußerte sich nicht zu den Vorwürfen. Er ließ über seinen Anwalt lediglich mitteilen, er habe nie die Absicht gehabt, einen Menschen zu töten.

Auslöser für den Streit war offenbar ein Missverständnis. Weil bei einem Trinkritual einer Gruppe Wandergesellen Bier in dem Lokal verspritzt wurde, glaubte der Angeklagte, er sei angespuckt worden. Daraufhin stürmte er mit erhobener Bierflasche auf die Handwerker los. Marc F. versetzte dem Tischlergesellen Michael B. einen Kopfstoß und brach ihm damit das Nasenbein. Es kam zu einer kurzen Rangelei, bei der der Angeklagte seine Zahnprothese verlor. Beigelegt schien der Streit, nachdem der Wirt den Zahnersatz wiedergefunden hatte und die Kontrahenten aufforderte, sich zu beruhigen und sich mit einem symbolischen Handschlag wieder zu vertragen.

"Eigentlich schien danach die Situation beruhigt, für mich jedenfalls", sagt Michael B., der als Zeuge in dem Verfahren aussagt. Doch etwa eine halbe Stunde später, sei der Angeklagte erneut auf ihn losgestürmt, ein Weizenbierglas in der erhobenen Hand. Es sei wieder zu einem Gerangel gekommen, bei dem das Glas zu Bruch ging.

Mit dem scharfkantigen Stumpf soll Marc F. sein Gegenüber angegriffen haben. Dabei wurde der am Kopf verletzt. Erst dann hätten Gäste des Lokals eingegriffen und die Streithähne von einander getrennt. Dabei soll Marc F. einer jungen Frau mit dem abgebrochenen Flaschenhals eine tiefe Schnittwunde an der Hand zugefügt haben.

Der Arzt, der Michael B. nach dem Streit untersuchte, fand eine großflächige Schnittwunde am Schädel, die stark blutete. "Regelrecht skalpiert worden" sei das Opfer, sagte der medizinische Gutachter. Ein etwa 20 Quadratzentimeter großer Hautlappen hätte sich vom Schädel gelöst. Die Kopfverletzung sei dann mit 30 Stichen genäht worden. Außerdem wurden Verletzungen an der Nase festgestellt und eine Gehirnerschütterung vermutet.

Ob er gesehen habe, dass der Angreifer das Glas absichtlich zerschlagen habe, wollte der Vorsitzende Richter von Zeuge David S. wissen, der an dem besagten Abend ebenfalls im "Jekyll & Hyde" war. Eindeutige Angaben konnte der 24-Jährige, der auch von dem Angeklagten angegriffen worden war, dazu jedoch nicht machen. "Die Situation bleibt also ein bisschen fraglich, was denn nun die Anlässe für den Konflikt waren", fasst der Vorsitzende Richter Franz Kompisch den ersten Verhandlungstag zusammen.

Noch vor Prozessbeginn war das Opfer Michael B. als Nebenkläger zurückgetreten. In einem außergerichtlichen Vergleich hat er sich mit dem Angeklagten über ein Schmerzensgeld in Höhe von 5000 Euro geeinigt. Sollte das Gericht im Verlauf der Verhandlung zur Auffassung gelangen, der Anklagevorwurf trifft zu, droht Marc F. eine mehrjährige Haftstrafe.

Insgesamt sind für den Prozess fünf Verhandlungstermine anberaumt. Fortgesetzt wird die Verhandlung mit der Befragung der Zeugen am Dienstag, 21. Juni, um 9.15 Uhr im Saal 21 des Lüneburger Landgerichts.