52-Jähriger muss sich wegen Trunkenheit am Steuer und Fahrerflucht vor dem Amtsgericht Lüneburg verantworten

Kurz nach dem Knall bekam Gerd K. Panik. An die Menschen, die vielleicht bei dem von ihm verursachten Auffahrunfall verletzt worden sein könnten, dachte er nicht. Mit quietschenden Reifen überfuhr er in seinem verbeulten Wagen eine rote Ampel und flüchtete. Später, auf dem Parkplatz eines Supermarktes, wurde ihm schließlich klar, dass es so nicht weitergehen kann. Der vierfache Familienvater aus Hohnstorf fuhr an den Unfallort zurück und stellte sich der Polizei.

"Im Grunde ist mir erst dadurch klar geworden, was sich alles in mir angestaut hat", sagt Gerd K. vor dem Lüneburger Amtsgericht, wo er sich wegen Trunkenheit im Straßenverkehr, Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unerlaubten Verlassens des Unfallortes verantworten muss.

Mehr als 2,7 Promille Alkohol hatte der Finanzfachmann im Blut, als er auf der Bundesstraße 209 die Kontrolle über sein Auto verlor. Die Kontrolle über sein Leben war ihm schon Jahre zuvor entglitten.

Von außen betrachtet, führt Gerd K. ein Bilderbuchleben. Der 52-Jährige, seit mehr als drei Jahrzehnten beim selben Geldinstitut tätig, lebt mit seiner Frau und einer von drei Töchtern im eigenen Haus. Im Beruf ist er erfolgreich und berät als Investitionsspezialist mittelständische Unternehmen in ganz Norddeutschland. Die Familie gilt als glücklich und harmonisch.

Doch etwas stimmte nicht mehr im Leben des gebürtigen Hamburgers. "Viele schaffen es nicht mehr bei einem so hohen Alkoholwert überhaupt ins Auto zu steigen", sagt der Richter streng. Der Angeklagte nickt. "Zu diesem Zeitpunkt habe ich täglich getrunken, viel getrunken", sagt Gerd K.

"Nach dem Unfall bin ich freiwillig in die Psychiatrische Klinik zu einer ambulanten Therapie gegangen, um mich behandeln zu lassen. Ich konnte mir das nicht erklären, aber ich hatte so Phasen, in denen mir alles zuviel war", erzählt der Angeklagte. Ob die Behandlung etwas ergeben habe, will der Richter wissen. "Es wurde festgestellt, dass ich manisch-depressiv bin. Und immer, wenn ich einen depressiven Schub hatte, versuchte ich den mit Alkohol zu betäuben." Zwei Monate vor dem Unfall wurde Gerd K. schon einmal betrunken am Steuer seines Wagens erwischt. "Ich bedaure das alles zutiefst und ich habe mich im Rahmen meiner Therapie intensiv mit den Folgen auseinandergesetzt, die mein Fehlverhalten für andere Menschen hatte", so der Angeklagte.

Der Mann, der ein weißes Hemd zum tadellos sitzenden grauen Anzug mit Nadelstreifen trägt, wirkt ruhig, als er dem Gericht schildert, welche Folgen der Unfall für sein Leben hatte: Sein Arbeitgeber hat ihn entlassen, seine Frau kurz nach der Silberhochzeit die Scheidung eingereicht, die alten Nachbarn schauen peinlich berührt weg, wenn er grüßt. Sicher, froh sei er nicht, über das schmale Hartz-IV-Budget, das ihm jetzt im Monat zum Leben bleibt. Doch er versuche, die Zeit sinnvoll zu nutzen, indem er sich freiwillig in der Erwachsenbildung engagiert. Natürlich würde er gern einen neuen Job finden. Deshalb sei es ihm wichtig, dass er strafrechtlich unbelastet bleibt. "Wenn im Führungszeugnis Eintragungen stehen, hat man es in meinem Alter doppelt schwer", weiß Gerd K.

Auch die Fahrerlaubnis möchte er so schnell wie möglich zurück, denn sie sei notwendig, um in der Region mobil zu sein. Der Richter runzelt die Brauen und verurteilt den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von zehn Euro: "Auf den Führerschein müssen sie noch einige Zeit verzichten. Und sie müssen die Medizinisch-Psychologische Untersuchung bestehen."