Vor dem Amtsgericht steht eine 18-Jährige wegen Diebstahl

Der Polizist mit Handschellen am Hosenbund faltet ein rosafarbenes Formular und schüttelt den Kopf. Das junge Mädchen, das er gerade mitten aus einer Unterrichtsstunde in der Berufsschule abgeholt hat, damit sie sich dieses Mal nicht vor der Gerichtsverhandlung drücken kann, lacht spitzbübisch. "Hauptsache ich krieg nicht noch mal Therapie", sagt die 18-Jährige, der silberne Ohrringe auf die Schultern baumeln. Neben ihr sitzt klein und verhärmt ihre Mutter. Mit traurigem Blick fragt sie seufzend: "Warum denn nur schon wieder Klaudia?" Die junge Frau wippt mit den Beinen und zuckt die Schultern.

Im Amtsgericht Lüneburg ist Klaudia G. keine Unbekannte. Zum siebten Mal ist sie heute wegen Diebstahls angeklagt. "Was war denn los?", fragt der Richter. "Ich hatte Stress an dem Tag und da bin ich losgezogen", lautet die schlichte Antwort. Zwei Armbänder im Wert von zehn Euro hatte sie in ihrer Tasche verschwinden lassen. Als ein Ladendetektiv die Auszubildende dabei erwischte, reagierte sie aggressiv, beschimpfte den Mann und lieferte sich mit ihm eine Verfolgungsjagd durch die Lüneburger Innenstadt. Als der Richter den Ablauf schildert, kann sich die Angeklagte ein erneutes Lächeln nicht verkneifen.

"Warum hört das nicht auf?", fragt der Richter. "Die Therapie ist zu Ende", antwortet Klaudia G. unsicher. Elf Monate lang hatte die junge Frau eine ambulante Psychotherapie besucht, in der die Ursachen für ihr Verhalten erforscht werden sollten. Die 18-Jährige, die in Rumänien zur Welt kam, hat ein bewegtes Leben. Nachdem die Familie nach Deutschland zog, wurde vor zwölf Jahren ihr Bruder ermordet. Daraufhin zerbrach die Familie, die Eltern ließen sich scheiden. In dieser Zeit wurde Klaudia G. zum ersten Mal auffällig, klaute kistenweise Kreide in der Schule, ließ sich von keinen etwas sagen und lief weg von Zuhause. Freiwillig zog sie in ein Kinderheim, beendete die Förderschule mit großen Schwierigkeiten. Klauen geht sie immer dann, wenn es in der Schule nicht gut läuft oder sie sich mit ihren Eltern gestritten hat. Für ein paar Wochen landete Klaudia G. gar im Jugendarrest. Nachdem sie die Therapie besucht, hören die Diebstähle auf. Bis zu dem Rückfall.

"Wie soll es denn jetzt weitergehen?" fragt der Richter. Klaudia G. hat keine Antwort. Im Laufe der Befragung wird die junge Frau, die immer wieder den Blickkontakt zu ihrer Mutter im Zuschauerraum sucht, immer kleinlauter. Schließlich bricht sie in Tränen aus. "Die in der Schule haben mich geärgert", schluchzt sie, "da wusste ich nicht, was ich machen soll." Der Richter schlägt vor, "Sie hätten Ihre Therapeutin anrufen und sie um ein Gespräch bitten können." Klaudia G. erwidert trotzig, sie könne sich nicht an den Namen der Psychologin erinnern.

Die Staatsanwältin plädiert trotz gerunzelter Stirn dafür, der 18-Jährigen noch einmal eine Chance zu geben, "aber nur mit zwei zugedrückten Augen". Der Richter spricht die Angeklagte schuldig und ordnet an, dass Klaudia G. die Psychotherapie fortsetzen solle, außerdem muss sie 60 Stunden gemeinnützige Arbeit ableisten. "Es gefällt mir überhaupt nicht, dass Sie hier immer wieder wegen Diebstahls auftauchen. Sie müssen sich am Riemen reißen und dran bleiben. Sie waren doch schon auf einem ganz guten Weg", sagt der Vorsitzende zur Begründung.