Ayhan C. ist die Ruhe selbst. Während der Verhandlung am Amtsgericht Lüneburg, in der er sich wegen Einbruchdiebstahls verantworten muss, blättert der dunkelhaarige Mann im roten Pulli unbeeindruckt in einer Sportzeitung. Ihm wird vorgeworfen, in eine Therapieeinrichtung in Südergellersen eingebrochen zu sein und dabei ein Notebook und Briefmarken im Wert von 60 Euro gestohlen zu haben. Außerdem soll der Angeklagte ein Paket mitgenommen haben, in dem sich Schokolade, Tabak und ein Paket Rasierklingen befanden.

Weil Ayhan C., der seine Heroinsucht in der Einrichtung in Südergellersen in den Griff kriegen wollte, schweigt, müssen Zeugen helfen, Licht ins Dunkel zu bringen. Der Polizist Holger K., der an dem Einsatz in Südergellersen teilgenommen hat, kann nicht viel zur Aufklärung beitragen. Er kann sich lediglich an die Namen derjenigen erinnern, die der Hausmeister damals als Verdächtige genannt hatte. Darunter ist auch Ayhan C.

Außerdem wurden bei dem Kurden, der mit seinen Eltern in Rothenburg lebt, auch noch drei Sicherheitsschlüssel gefunden.

Als der Richter Sandra M., die als Verwaltungsangestellte im Therapiezentrum arbeitet, die drei Schlüssel vorlegt, identifiziert die junge Frau diese als Eigentum der Klinik. "Die gehören eindeutig zu unserem Schließsystem", sagt die Oldendorferin. Und erklärt: "Um Verantwortung zu übernehmen, erhalten die Patienten im Rahmen der Therapie bestimmte Schlüssel. Vor dem Einbruch gab es eine Gruppenfahrt für die Patienten, vorher wurden alle Schlüssel eingesammelt." Dass Schlüssel fehlten, sei aber erst nach dem Einbruch aufgefallen.

Auch die Befragung von Marlene P., die ebenfalls in der Einrichtung arbeitet, bringt keine neuen Erkenntnisse. Dann nimmt der Fall eine überraschende Wende. Als der Richter die Vorstrafen des Angeklagten aufzählt, gerät die letzte Verurteilung in den Fokus.

Wenige Monate zuvor war der gelernte Maler und Lackierer schon einmal wegen Einbruchdiebstahls verurteilt worden. Er wurde nach einem Rückfall auf frischer Tat ertappt, als er im Begriff war, die Jugendhilfe Lüneburg durch ein zuvor eingeschlagenes Fenster zu verlassen. Als die Beamten das Diebesgut - unter anderem Kopfhörer und ein Diktiergerät - sicherstellten, trug Ayhan C. außerdem jene drei Schlüssel, die seit dem Einbruch in Südergellersen fehlten, zufällig in seiner Hosentasche bei sich.

Das Urteil damals lautete sieben Monate Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Weil unterdessen nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann, wie Ayhan C. in den Besitz der drei Schlüssel kam und ob er den Einbruch in Südergellersen tatsächlich begangen hat, wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.