Bagdad/Washington. Im Clan des entmachteten irakischen Präsidenten Saddam Hussein soll eine blutige Auseinandersetzung entbrannt sein, bei der auch alte Rechnungen beglichen werden. Das berichtet die arabische Zeitung "Al-Sharq Al-Awsat" unter Berufung auf Informanten in Tikrit, der Heimatregion Saddams. Gleichzeitig reißt die Serie von Angriffen auf die US-Soldaten im Irak nicht ab. Am Freitag sind wieder mindestens zwei GIs getötet worden. Ali Hussein Kamil, einer der Söhne von Saddams Tochter Raghda, soll einen Sohn von Saddams Cousin Ali Hassan el Madschid - alias "Chemie-Ali" - angegriffen haben. Er wolle Rache nehmen für die Ermordung seines Vaters Hussein Kamil und anderer Familienmitglieder 1996, hieß es. Außerdem hätten Saddam-Anhänger den Scheich des Bedschat-Clans, dem Saddam und viele seiner Funktionäre entstammen, bedroht. Scheich Ghalib Mahmud ist ein Onkel des kürzlich verhafteten Privatsekretärs Saddams. Unterdessen hat das Pentagon nach einem Bericht der "Financial Times" eine Expertengruppe nach Bagdad entsandt, die die umstrittene US-Besatzungsstrategie überprüfen soll. Seit dem Ende größerer Kampfhandlungen Anfang Mai sind mindestens 21 US-Soldaten bei feindlichen Angriffen getötet worden. Am Freitag wurde in Bagdad in einem Videoladen erneut ein US-Soldat von Unbekannten erschossen. Kurz zuvor war ein GI in der Nähe der für Schiiten heiligen Stadt Nadschaf getötet worden. Bei der Suche nach zwei vermissten US-Soldaten, von denen weiter jede Spur fehlt, nahm die US-Armee drei Verdächtige fest. Nach Angaben der "Washington Post" sollen die US-Truppen gute Kontakte zu Clanführern aus Saddams Umgebung aufgebaut haben, die sie auf die Spur des Tyrannen bringen könnten. Der als "Lügen-Ali" im Irak-Krieg zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte Ex-Informationsminister Mohammed el Sahhaf sagte im arabischen Fernsehen, er wisse nicht, wo sich Saddam befinde. Der 63-Jährige, der nach einem Verhör auf freien Fuß kam, wirkte müde und mit weißem Haar sichtlich gealtert. Von den Amerikanern, die er einst als "Gauner, schändliche Würmer und Feiglinge" geschmäht hatte, sprach er nun als "den Verantwortlichen". Er selbst sei von der Richtigkeit seiner Informationen ("die Ungläubigen begehen zu Hunderten Selbstmord an den Mauern Bagdads") überzeugt gewesen.