US-Soldaten erobern Tikrit, die Heimatstadt des Diktators. Großbritanniens Premier Tony Blair: “Wir sind dem Ende des Konfliktes nahe.“

Tikrit. Mit Unterstützung von Kampfhubschraubern und Panzern sind US-Soldaten gestern ins Zentrum von Tikrit vorgestoßen und haben die letzte Hochburg des irakischen Präsidenten Saddam Hussein eingenommen. Ein US-Militärsprecher bezeichnete den Fall Tikrits als Übergangspunkt in eine neue Phase des Krieges, in der es zwar vermutlich noch Gefechte geben werde, diese aber wohl örtlich begrenzt blieben. Der britische Premierminister Tony Blair sagte, die Streitkräfte Saddams seien zusammengebrochen. Schon bald solle eine Übergangsregierung gebildet werden. Gestern Nachmittag schossen US-Kampfhubschrauber noch auf Ziele in Tikrit, das 175 Kilometer nördlich von Bagdad liegt. US-Soldaten berichteten, bei dem Vorstoß ins Zentrum sei der Widerstand relativ leicht gewesen, es würden aber Angriffe von Milizionären nach Einbruch der Dunkelheit befürchtet. "Es gab weniger Widerstand, als wir dachten", sagte US-Brigadegeneral Vincent Brooks vom US-Zentralkommando in Katar. Der Krieg sei aber noch nicht vorbei. Es könne weitere Kämpfe geben, allerdings würden diese kleinere Gebiete umfassen. Einige Einwohner Tikrits begrüßten die US-Soldaten mit nach oben gehaltenem Daumen. "Es ist eine große Erleichterung. Wir betrachten uns als friedliche Menschen, die einem Diktator ausgeliefert waren", sagte einer. Die Wut auf Saddam entlud sich anders als in anderen Städten zunächst nicht an den Statuen oder Bildern des Präsidenten. Saddams Palast war nach den Bombenangriffen teilweise eingestürzt. Eine dünne Staubschicht überzog das gesamte Innere des Gebäudes. Wie zuvor in Bagdad zogen Plünderer durch den Palast und bereicherten sich an Gegenständen, die ihnen wertvoll erschienen. Ein Mann steckte sich etwa einen Kronleuchter in einen Sack. Im Garten vor dem Gebäude wuschen und rasierten sich derweil US-Soldaten. "Im Wesentlichen sind Saddams Truppen im gesamten Irak zusammengebrochen", sagte Blair vor dem Parlament in London. Widerstand gebe es vor allem noch von irregulären Truppen ausländischer Kämpfer. "Wir sind dem Ende des Konflikts nahe." Ein Zeichen dafür könnte sein, dass die USA nach Angaben aus Kreisen der US-Marine in den kommenden Tagen zwei ihrer fünf Flugzeugträger aus der Golf-Region abziehen wollen. Blair sagte vor dem Parlament zudem, einige Wochen nach dem Ende des Krieges solle eine Übergangsregierung gebildet werden. Er hoffe, dass es danach innerhalb eines Jahres Wahlen gebe. Mehr als 2000 irakische Polizisten sind unterdessen gestern in Bagdad dem Aufruf der Vereinigten Staaten gefolgt und haben sich zum Dienst zurückgemeldet. Sie sollen dabei helfen, die öffentliche Ordnung in der Stadt wieder herzustellen, nachdem Plünderer und marodierende Banden Bagdad in der vergangenen Woche ins Chaos gestürzt hatten. Die Männer kamen ins Polizei-College im Osten der Hauptstadt, um sich registrieren zu lassen. Gestern patrouillierten dann schon die ersten dieser Polizisten zusammen mit US-Soldaten durch die irakische Hauptstadt. Die irakischen Ordnungshüter dürfen allerdings noch keine Waffen tragen. (rtr)