Enthüllungen: Während erstmals veröffentlichte Familienfotos des Diktators heile Welt vermitteln, kommen immer mehr Details über seine skrupellose Tyrannei ans Licht.

Hamburg. Die Bilder sind geeignet, Sympathie zu wecken. Der Mann mit dem scharfgeschnittenen Gesicht und den wachen Augen tollt unbeschwert mit Kindern und Enkeln umher, schmiegt sich liebevoll an seine Frau, planscht wie ein fröhlicher Junge im Wasser. Saddam Hussein, der nette Familienmensch, der Kumpel? Kaum. Die jüngst entdeckten Abbildungen aus dem Fotoalbum des untergetauchten irakischen Despoten sind Teil einer sorgfältig konstruierten Matrix, einer künstlichen, für die Öffentlichkeit hergestellten Folie. Sie erinnern an die traulichen Bilder von Adolf Hitler mit Hund Blondie, von Josef Stalin oder Pol Pot mit entzückten Landeskindern. Und in die Reihe jener Massenmörder gehört auch Saddam. Denn hinter der potemkinschen Fassade lauern die Abgründe der Realität, so düster, so bestialisch, dass man es kaum zu glauben vermag. In jenen 35 Jahren, in denen Saddam Hussein Macht am Tigris ausübte, sollen seiner Grausamkeit bis zu eine Million Iraker zum Opfer gefallen sein. Dokumentationen über sein Regime, wie jene der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), gleichen einem Blick in die Hölle. Saddam, der vaterlos aufwuchs, von seinem kriminellen Onkel täglich brutal misshandelt wurde und zunächst als Auftragskiller Karriere machte, wird von Zeitzeugen als Psychopath beschrieben, der sich an Angst und Qual seiner Opfer weidet. An den barbarischen Marterorgien seiner Schergen wie der fanatischen Saddam-Fedajin soll er sich selber aktiv beteiligt und seine Söhne Udai und Kusai schon im Kindesalter wöchentlich hinzugezogen haben. Der völlig unberechenbare Lebemann Udai, zuletzt Chef der Fedajin, hat die Neigungen seines Vaters geerbt; der eiskalte und skrupellose Kusai tötete dagegen nur zum Machterhalt. Nach einer "unvollständigen" Liste der GfbV hat der irakische Gulag rund 200 Lager und Haftanstalten umfasst, in denen gefoltert und hingerichtet wurde. Zu den gängigen Methoden der Saddam-Schergen gehörten das Herausschneiden der Zunge, Elektroschocks, Durchbohren der Gliedmaßen mit Bohrmaschinen, Verbrennen bei lebendigem Leibe oder die Amputation von Händen und Füßen. Wie jetzt entdeckte Massengräber enthüllen, wurden zahllose Menschen auch lebendig begraben. Regimegegnern wurde häufig das Schwermetall Thallium gespritzt, das einen grausamen Tod durch innere Blutungen zur Folge hat. Weibliche Häftlinge wurden in Gegenwart ihrer Ehemänner und anderer männlicher Verwandter vergewaltigt. Die Quälereien in den Folterzellen wurden auf Video aufgezeichnet und nicht nur an Saddam und seine Söhne zur Ergötzung geschickt, sondern auch an im Ausland lebende Angehörige der Opfer. Der "Spiegel" berichtet über den Henkersknecht Ali K., der wie am Fließband Zungen und Hände abschnitt. Jenen, die der Lüge bezichtigt wurden, brach man das Rückgrat, indem man sie auf eine Planke legte und einen Betonklotz auf ihren Rücken fallen ließ. Amnesty International und die Gesellschaft für bedrohte Völker berichten über ein Massaker an 300 Kindern kurdischer Wehrdienstverweigerer im Gefängnis von Suleymania im September und Oktober 1985. Ein kurdischer Häftling, der überlebte, erzählte vom Weinen und Schreien der Kleinen, die mit Elektroschocks und brutalen Prügeln unmenschlich gequält wurden. Der Saddam-Biograf Gordon Thomas schrieb, der irakische Diktator habe viele Stunden mit dem Studium der Folter-Videos verbracht. Von den Taliban habe er die Methode übernommen, lange Nägel quer durch Ohren und Gehirne von Delinquenten zu treiben. Speiste der krankhaft misstrauische Diktator in einem seiner 24 Paläste, so ließ er regelmäßig einen zum Tode Verurteilte das Essen vorkosten. War der Mann nach einer Stunde noch am Leben, wurde ihm Blut entnommen, das Wissenschaftler auf Spuren radioaktiver Strahlung untersuchten. Anschließend wurde der Unglückliche durch einen Schuss in den Hinterkopf getötet - Signal für Saddam, sein Essen genießen zu können. Der Tyrann, der angeblich hemmungslos weinte, wenn er einen Freund oder Verwandten dem Henker überantwortete, weiß, was ihm blüht, wenn er von ehemaligen Opfern gefasst wird. Und dass er lebt, davon ist Washington überzeugt. Vermutlich ist er im Millionenmoloch Bagdad untergetaucht. Von der Festnahme seines Vertrauten, des einst mächtigen Privatsekretärs Abid Hamid Mahmud - Nummer vier und Karo-Ass im US-Kartenspiel der Gesuchten -, erhoffen sich die Amerikaner Hinweise auf seinen Verbleib. Und dass sie ihn fassen, bevor es andere tun.