Journalisten starben im Pressehotel Palestine in Bagdad. Es galt als sicher.

Bagdad/Hamburg. Zuerst hört Ulrich Tilgner (55) einen Knall, dann splittern Fensterscheiben, eine gewaltige Druckwelle erschüttert das Hotel Palestine in Bagdad, in dem 150 Journalisten und Kameraleute wohnen und arbeiten. "Ich wusste, das ist ein Einschlag", sagt der ZDF-Korrespondent später. Tilgner rennt aus seinem Zimmer im 15. Stockwerk, hört auf dem Flur die Schreie der Verletzten. Eine US-Panzergranate ist im selben Stockwerk auf der Ostseite des Gebäudes eingeschlagen. Hektisch strömen Menschen zusammen. In den Räumen der Nachrichtenagentur Reuters bietet sich ihnen ein Bild des Grauens: schwer verletzte Kollegen inmitten von Blutlachen, Glassplittern, Betonbrocken. Einige der Journalisten handeln besonnen, tragen die Opfer in Matratzen und blutdurchtränkten Bettlaken aus dem Hotel, während andere Kollegen mit den Tränen kämpfen und wieder andere, um das beste Bild drängelnd, die Rettungsversuche behindern. Irgendjemand treibt ein Auto auf, um die Opfer in eines der Krankenhäuser von Bagdad zu fahren. Doch für den aus der Ukraine stammenden Reuters-Kameramann Taras Protsyuk (35) kommt die Hilfe zu spät. Auch der spanische Kameramann Jose Couso (37) stirbt kurz darauf nach einer Notoperation. Couso hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Drei weitere verletzte Reuters-Mitarbeiter sind nach Angaben von Ärzten nicht in Lebensgefahr. Die Reporter sind entsetzt und wütend, zumal das Feuer auf das Hotel in einer Kampfpause eröffnet worden war. Das Palestine am Ost-Ufer des Tigris galt anders als die Hotels Raschid oder Mansur, die dicht an möglichen US-Bombenzielen im Stadtzentrum liegen, als sicher. Der Vorfall werfe Fragen über das Urteil der US-Truppen auf, sagt Reuters-Chefredakteur Geert Linnebank. "Sie haben gewusst, dass dieses Hotel der Hauptstützpunkt für fast alle ausländischen Journalisten in Bagdad ist." US-Kommandeur Buford Blount von der 3. Infanteriedivision verteidigt den Angriff später mit den Worten, ein US-Panzer sei von dem Hotel aus mit Raketen und Schusswaffen beschossen worden und habe das Feuer "mit einer einzigen Salve" beantwortet. US-Militärsprecher Vincent Brooks spricht von "Heckenschützen", die aus der Lobby des Hotels geschossen hätten. US-Soldaten vor Ort erklären, Männer auf dem Dach des Hotels hätten mit Ferngläsern ihre Stellung beobachtet. Sie hätten Journalisten aufgerufen, weiße Tücher aus dem Hotelfenster zu hängen. Tilgner und seine Kollegen berichten dagegen, es habe weder eine Warnung gegeben, noch seien Schüsse gefallen: "Es gab keine Ziele, die von der Lobby aus hätten angegriffen werden können." Ein Hotelbediensteter sagt: "Die Journalisten haben von ihrem Balkon aus die US-Panzer auf der Dschumurija-Brücke gefilmt, und deshalb wurden sie beschossen." Nur ein paar Stunden zuvor war ein 34-jähriger Reporter des arabischen Senders Al Dschasira bei einem Raketeneinschlag getötet worden. Am Vortag starben der deutsche "Focus"-Reporter Christian Liebig (35) und ein spanischer Kollege bei einem irakischen Raketenangriff.