Saddam gibt nicht auf - heute Nacht Krieg? - Schröder und Chirac kritisieren Bush - Letzter Friedensversuch im UNO-Sicherheitsrat - Tausende flüchten schon

Washington/Bagdad/Berlin. Ein Krieg am Persischen Golf ist möglicherweise nur noch eine Frage von Stunden. Nach dem Ultimatum von US-Präsident George W. Bush an den irakischen Machthaber Saddam Hussein, binnen 48 Stunden das Land zu verlassen oder gestürzt zu werden, hält die Welt den Atem an. Die Frist läuft heute Nacht um 2 Uhr MEZ ab. Danach ist ein Angriff jederzeit möglich. Die letzten Hoffnungen auf eine friedliche Lösung der Krise machte Saddam gestern zunichte, als er Bushs Ultimatum brüsk zurückwies. Sein Land werde die USA in "Iraks letzter Schlacht" besiegen, versprach der Despot im Staatsfernsehen und berief seinen Kriegsrat ein, zu dem auch sein ältester Sohn Udai gehört. Udai, der als noch grausamer als sein Vater gilt, forderte den Rückzug von US-Präsident Bush und seiner Familie von der Macht. Die Vereinigten Staaten sähen keine Anzeichen für ein Einlenken Saddams, sagte daraufhin Bushs Sprecher Ari Fleischer: "Dies ist Saddams letzter Fehler." Fleischer fügte hinzu, die US-Truppen würden aber auch im Falle von Saddams Exil in den Irak einmarschieren - "dann aber hoffentlich friedlich". Damit läuft der Countdown für einen Angriff auf den Irak, an dem sich nach Angaben von US-Außenminister Colin Powell eine "Koalition der Willigen" von 30 Staaten beteiligen soll. 15 weitere Staaten hätten "stillschweigend" Unterstützung bekundet. Die 30 Koalitions-Staaten seien Äthiopien, Afghanistan, Albanien, Aserbaidschan, Australien, Bulgarien, Dänemark, El Salvador, Eritrea, Estland, Georgien, Großbritannien, Italien, Japan, Kolumbien, Korea, Lettland, Litauen, Mazedonien, Nicaragua, die Niederlande, die Philippinen, Polen, Rumänien, die Slowakei, Spanien, Tschechien, die Türkei, Ungarn und Usbekistan. Die meisten anderen Staaten der Erde, allen voran Frankreich, Deutschland, China, Russland sowie der Vatikan, äußerten dagegen Unverständnis und Empörung über Bushs Ultimatum. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, für Tausende unschuldiger Kinder, Frauen und Männer werde der Krieg "den sicheren Tod bringen". Der russische Außenminister Igor Iwanow warnte, ein von den USA angeführter Angriff ohne UNO-Mandat hätte "schwer wiegende negative Folgen". Der französische Präsident Jacques Chirac sprach Bush jedes Recht für einen Angriff auf den Irak ab. Ein Einsatz verbotener irakischer Kampfstoffe gegen US-Truppen allerdings würde Frankreichs Irak-Politik nach Angaben des französischen Botschafters in den USA "vollständig und sofort" ändern. George W. Bush hatte Dienstagnacht in seiner Fernsehansprache an die Nation gesagt, die Jahrzehnte "der Täuschung und der Grausamkeit" durch den Irak hätten ihr Ende erreicht. Der UNO-Sicherheitsrat sei seiner Verantwortung nicht nachgekommen. Nun will Bush mehr als 250 000 Mann in den Irak einmarschieren lassen, falls Saddam und seine Söhne nicht bis heute Nacht ins Exil gehen. Als engster Verbündeter der USA stellen die Briten weitere 45 000 Mann. Als Gründe für einen Krieg nannte Bush in seiner Fernsehansprache eine Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen, die die irakische Führung mit Terroristen wie der Al Kaida teilen könnte. Gleichzeitig mit der Rede des Präsidenten wurden die US-Streitkräfte in 93 Ländern und alle US-Sicherheitsbehörden in Alarmbereitschaft versetzt. Im Golfemirat Katar bereitete der designierte Oberbefehlshaber eines Irak-Krieges, General Tommy Franks, letzte Details der Militäroffensive vor. Die UNO zog derweil ihre Kontrolleure aus dem Irak ab. Auch die meisten US-Zeitungen und Fernsehanstalten beorderten ihre Korrespondenten aus Bagdad zurück. Dort setzte gestern eine Fluchtbewegung Tausender Bürger aufs Land ein. Auch wenn der Krieg unvermeidlich erscheint, soll der UNO-Sicherheitsrat heute noch einmal zusammenkommen, um über das von Chefwaffeninspekteur Hans Blix vorgelegte langfristige Arbeitsprogramm für die weitere friedliche Abrüstung des Irak sowie die Lage "vor einem nicht erlaubten Krieg" zu beraten. An der Sitzung nimmt auch Bundesaußenminister Joschka Fischer teil.