Große Koalition: Union und SPD haben Kanzlerfrage entschieden. Schröders politische Zukunft offen SPD stellt acht, die Union sieben Minister Stoiber leitet das Wirtschaftsressort Sonntagszuschlag bleibt steuerfrei

Berlin. Der Machtkampf in Berlin ist entschieden: Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel soll erste deutsche Bundeskanzlerin werden. Mit dieser Grundsatzeinigung haben CDU, CSU und SPD am Montag in Berlin und München drei Wochen nach der Bundestagswahl den Weg für eine große Koalition frei gemacht. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hingegen will einem Kabinett nicht angehören.

Den Vereinbarungen zufolge erhält die SPD acht Ministerien, die Union neben dem Kanzleramt und Kanzleramtsminister sechs Ressorts. Wer Vize-Kanzler für die SPD werden könnte, blieb offen. Die offiziellen Gespräche über ein schwarz-rotes Bündnis sollen am kommenden Montag beginnen und sind auf vier Wochen angesetzt.

In den Gremien der Union ging die im Gespräch zwischen den drei Parteichefs - Merkel (CDU), Edmund Stoiber (CSU), Franz Müntefering (SPD) - sowie Kanzler Gerhard Schröder besprochene Linie glatt durch. Präsidium und Bundesvorstand hatten die Vereinbarungen mit der SPD über Posten, Verfahren und erste inhaltliche Akzente jeweils einstimmig gebilligt. Auch der SPD-Vorstand stimmte für Schwarz-Rot - allerdings gab es zwei Neinstimmen und sieben Enthaltungen.

Beide Verhandlungsseiten betonten, es solle eine stabile Regierung gebildet werden, die auf vier Jahre angelegt sein soll. "Es muß um die Erneuerung und soziale Gerechtigkeit in Deutschland gehen", sagte Müntefering nach den Gesprächen. Eine große Koalition biete große Chancen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder wird allerdings nicht dabeisein. Er hatte schon bei den Sondierungsgesprächen klargemacht, daß er für ein Ministeramt nicht zur Verfügung steht. Seine politische Zukunft ist damit offen. Schröder wird zwar an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen, doch was danach kommt, ist unklar. Aus der SPD gab es Stimmen, die Schröder gern wieder als Parteivorsitzenden hätten. Denkbar wäre auch ein gutdotierter Posten in der Wirtschaft oder bei der Europäischen Union.

Sicher ist dagegen, daß Schröders ehemaliger Herausforderer, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU), dem Kabinett Merkels als Wirtschaftsminister angehören wird. Er soll auch für den europäischen Binnenmarkt sowie für neue Technologien, Luft- und Raumfahrt zuständig sein. Der Bereich Arbeit soll wieder aus dem Ministerium ausgegliedert und von der SPD betreut werden.

Für die übrigen Ressorts gibt es bisher nur wenig personelle Klarheit. Die SPD erhält das Auswärtige Amt, das Finanz- und das Arbeitsministerium sowie die Ressorts für Entwicklung, Justiz, Gesundheit, Umwelt und Verkehr. Zu den fest gesetzten Ressortchefs gehören bei der SPD offenbar Heidemarie Wieczorek-Zeul für Entwicklung, Brigitte Zypries für Justiz und Ulla Schmidt für Gesundheit.

Inhaltlich haben sich Union und SPD bisher auf vier Eckpunkte festgelegt: Bis 2010 sollen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent des Bruttosozialprodukts gesteigert werden. Über betriebliche Bündnisse für Arbeit soll mit den Sozialpartnern gesprochen werden. Bei einer Einkommenssteuerreform sollen Sonn- und Feiertagszuschläge steuerfrei bleiben. Und die Verhandlungspartner nahmen eine Angleichung der Freibeträge für Erwachsene und Kinder sowie ein Elterngeld ins Visier. Ob die Mehrwertsteuer erhöht wird, ist offen.

Es wird noch wenigstens vier Wochen dauern, bis Angela Merkel tatsächlich zur Kanzlerin gewählt wird. Am 18. Oktober konstituiert sich der neue Bundestag, von da an ist die Regierung Schröder nur noch geschäftsführend im Amt. Um den 15. November herum dürfte dann die Kanzlerwahl im Bundestag sein.

Die Opposition aus FDP, Grünen und Linken hat schon angekündigt, nicht für Merkel zu stimmen. Der rechte "Seeheimer Kreis" der SPD um den Hamburger Abgeordneten Johannes Kahrs kündigte Widerstand an.