BERLIN. Sie hat es geschafft. Nach dreiwöchigem Machtkampf, der sich zeitweise zum Nervenkrieg auswuchs, hat die SPD-Spitze offiziell akzeptiert, daß CDU-Chefin Angela Merkel die nächste Bundeskanzlerin wird. Für einen kleinen Moment darf die 51jährige den Triumph genießen, daß sie ihre zahlreichen Widersacher im eigenen und im sozialdemokratischen Lager an die Wand gespielt hat.

Das Kanzleramt hatte Merkel schon im Visier, seit sie im Jahr 2000 an die Spitze der CDU gewählt wurde. "Wenn ich es mir von vornherein nicht zutrauen würde, hätte ich nicht Parteivorsitzende der CDU werden dürfen", sagte sie in Interviews dazu. Die Nominierung für das höchste Regierungsamt ist für Merkel der vorläufige Höhepunkt einer beispiellosen Karriere. Ende 1990 taucht Merkel, von Kanzler Helmut Kohl gönnerhaft als "mein Mädchen" tituliert, praktisch aus dem Nichts in der Bundespolitik auf. Kaum zehn Jahre später ist sie Vorsitzende der Volkspartei CDU. Am 30. Mai 2005 küren CDU und CSU die ostdeutsche Pastorentochter zur gemeinsamen Kanzlerkandidatin für die vorgezogene Bundestagswahl.

Zwischen Kohls "Mädchen" und der Kanzlerkandidatin liegen 15 Lehrjahre, in denen Merkel das Geschäft deutscher Politik gelernt hat. Als Generalsekretärin leitete sie die Trennung der CDU von Kohl ein, bevor dieser die Partei allzu tief in den Parteispendensumpf gezogen hatte. Sie ließ auch Kohls Nachfolger Wolfgang Schäuble hinter sich und führte die CDU als Parteichefin aus dem Affärentief zu neuen Wahlerfolgen und Umfrage-Hochs.

Schon ihr Start in der Bundespolitik war alles andere als einfach. Die Medien machten hämische Bemerkungen über ihren wenig modischen Bubikopf; viele CDU-Größen betrachteten sie im stillen milde lächelnd als Übergangsvorsitzende, legten Fallen und Stolpersteine. Aber aus Unerfahrenheit resultierende Pannen wie die Niederlage der Union im Bundesrats-Poker um die Steuerreform 2000 wurden in der Folgezeit weniger.

Daß Merkel bei jenem berühmten Frühstück in Wolfratshausen im Januar 2002 CSU-Chef Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur anbot, erwies sich als kluger Schachzug: Acht Monate danach war Stoiber als Kanzlerkandidat knapp gescheitert, Merkel wurde im September mit 92,2 Prozent zur Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt und konnte seitdem ihre Machtposition festigen. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos sagt: "Wer Angela Merkel unterschätzt, hat schon verloren."

Am 17. Juli 1954 in Hamburg geboren, als erstes Kind des Theologiestudenten Horst Kasner und seiner Frau Herlind, von Beruf Lehrerin, verbrachte Angela Dorothea Merkel ihre Jugend im brandenburgischen Templin. 1973 zog sie nach Leipzig, studierte Physik bis zum Diplom. Erst nach der Wende trat sie dem Demokratischen Aufbruch bei und stieg zur stellvertretenden Regierungssprecherin unter DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière auf. Im August 1990 trat sie in die CDU ein. 1998 wurde sie Generalsekretärin, und im April 2000 wählte sie der Essener CDU-Parteitag mit 96 Prozent der Stimmen zur Parteivorsitzenden.

Ihre erste Ehe mit Ulrich Merkel wurde 1982 nach fünf Jahren geschieden. Seit Dezember 1998 ist Merkel mit ihrem langjährigen Lebenspartner Joachim Sauer verheiratet. Kinder hat sie nicht.

Sollte der Bundestag die CDU-Vorsitzende Mitte November zur Kanzlerin wählen, ist Angela Merkel die mächtigste Regierungschefin der Welt. In zehn Staaten amtieren Frauen als Staats- oder Ministerpräsidentinnen. Zu den einflußreichsten Politikerinnen zählt die philippinische Staatspräsidentin Gloria Macapagal Arroyo, sie regiert seit 2001. Die Präsidentin von Sri Lanka, Chandrika Kumaratunga hat zwar innenpolitischen Einfluß, spielt aber international kaum eine Rolle. Wie auch die Regierungschefin von Bangladesch, Begum Kahleda Zia.