Wirtschaft: Große Sorgen

HAMBURG/BERLIN. Deutsche Wirtschaftsverbände begrüßen die Einigung in der Kanzlerfrage, fordern jedoch schnelle und grundlegende Reformen. Der deutsche Aktienmarkt reagierte mit leichten Kurszuwächsen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte die große Koalition vor Kompromissen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben forderte einen flexibleren Arbeitsmarkt, eine Unternehmenssteuerreform, die Modernisierung des Bildungssystems und Bürokratieabbau. Das Handwerk signalisierte ausdrücklich Zustimmung zu einem Wirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU).

Aus Sicht der Hamburger Wirtschaft kann sich "Deutschland keinen Tag weiteren Stillstands erlauben", so Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer: "Es muß nun eine absolute Vorfahrt für alles geben, was Arbeitsplätze schafft. Ich bezweifle, ob es angesichts dieser Herausforderung sinnvoll ist, die Ressorts Wirtschaft und Arbeit zu trennen."

Auch die Präsidentin des AGA-Unternehmensverbands, Helly Bruhn-Braas, forderte, den Reformstau zügig aufzulösen: "Bürokratieabbau, Senkung der Personalzusatzkosten und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sind die wichtigsten Ansatzpunkte." Die Aufteilung des Ressorts Wirtschaft hält Bruhn-Braas für einen Rückschritt: "Wir brauchen nicht mehr Ministerposten, sondern eine zukunftsweisende Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik aus einem Guß."

Der Vorsitzende des Industrieverbands Hamburg (IVH), Werner Marnette, kritisierte die Aufteilung der Energiepolitik zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium als Fehler. "Energiepolitik gehört als zentraler Bestandteil der Standortpolitik in eine Hand."

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, hofft, daß neue Wege beschritten werden. "Am dringendsten wäre eine grundlegende Reform des Arbeitsmarktes", sagte Snower dem Hamburger Abendblatt. "Die Themen Arbeit, soziale Sicherheit und Gesundheit sind die größten Herausforderungen. Allerdings gibt es hier bei CDU und SPD die geringsten Übereinstimmungen." Gute Chancen sieht Snower dagegen, "daß es in den Bereichen Steuerreform, Subventionsabbau, Förderalismusreform und Deregulierung Fortschritte gibt".