Berlin. Union und SPD können bei ihren Koalitionsverhandlungen auf einige gemeinsame Ansätze zurückgreifen. Ein Überblick über die wichtigsten Themenfelder und Einigungschancen:

  • Arbeit: Bei der Arbeitsmarktpolitik vertraten beide Seiten bislang recht unterschiedliche Ansätze. In einem gemeinsamen Papier vereinbarten sie jetzt die Einhaltung der Tarifautonomie und die Beibehaltung der Steuerfreiheit von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen. Ob sich die SPD mit ihrem Wunsch durchsetzen kann, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose erst ab 2008 und nicht schon ab Februar 2006 von 32 auf 18 Monate zu verringern, ist offen. Nach dem Willen der SPD soll außerdem der Satz für das Arbeitslosengeld II im Osten an das Westniveau angeglichen werden.
  • Steuern: Gemeinsam ist Union und SPD, daß sie Steuervergünstigungen abbauen wollen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und sein früherer nordrhein-westfälischer Amtskollege Peer Steinbrück (SPD) hatten 2003 dazu eine Streichliste erarbeitet. Grundsätzlich vereinbarten beide Seiten bereits den Abbau von Ausnahmetatbeständen, ohne allerdings konkret zu werden. Bei der Unionsforderung nach Einschnitten bei der Pendlerpauschale gab es bereits Bewegung.

Gegensätze gibt es bei der Einkommenssteuer: Die Union tritt für eine Senkung der Sätze ein, die SPD sieht dafür keinen Spielraum. Die Sozialdemokraten fordern statt dessen höhere Steuern für Spitzenverdiener, was wiederum CDU/CSU ablehnen. Besser stehen die Chancen bei der Unternehmenssteuer: So hatten sich CDU/CSU und SPD bereits im Frühjahr beim Job-Gipfel auf die Senkung des Körperschaftssteuersatzes von 25 auf 19 Prozent verständigt, was dann aber zunächst nicht umgesetzt wurde. Bereits grundsätzlich festgelegt haben sich beide Seiten darauf, die Lebensbedingungen für Familien über einen gleichen steuerlichen Grundfreibetrag für Erwachsene und Kinder zu verbessern.

Möglicherweise bringt eine schwarz-rote Regierung die von der Union geforderte und von der SPD vor der Wahl abgelehnte Mehrwertsteuererhöhung auf den Weg: In dem gemeinsamen Papier wird sie nicht erwähnt. SPD-Chef Franz Müntefering hatte im Vorfeld eine Erhöhung aber nicht völlig ausgeschlossen.

  • Soziales : Union und SPD vertreten beim Thema Gesundheit mit der Kopfpauschale einerseits und der Bürgerversicherung andererseits gegensätzliche Konzepte. In einer großen Koalition dürfte sich keines der beiden Modelle durchsetzen; Stoiber signalisierte bereits Bereitschaft zum Verzicht auf die auch von der CSU ungeliebte Kopfpauschale. Wahrscheinlich wird damit ein Festhalten am bestehenden System, wobei es Korrekturen zugunsten von Kostensenkungen und mehr Transparenz geben dürfte. Denkbar ist, daß sich beide Seiten auf ein Einfrieren des Arbeitgeberbeitrages verständigen könnten. Bei der Rente setzen beide Seiten auf einen Mix aus gesetzlicher Versicherung und Privatvorsorge. Eine Einigung könnte möglich sein bei der von der SPD geforderten Erhöhung des faktischen Renteneintrittsalters.
  • Föderalismusreform: Wenn Union und SPD im Bund gemeinsam regierten, würde die Parteienblockade entfallen, die im vergangenen Jahr eine Neuordnung der Bund-Länder-Beziehungen mit verhindert hatte. Divergierende Interessen zwischen Bund und Ländern - wie sie bei den Verhandlungen 2004 in der Hochschulpolitik deutlich geworden waren - wird es aber auch bei einer großen Koalition geben. Am Wochenende schlug CSU-Chef Edmund Stoiber die Verabschiedung der Föderalismusreform als ersten gemeinsamen Schritt vor, um den Bürgern zu zeigen, daß eine neue Regierung handlungsfähig sei.