Die Wahlprogramme der Parteien im Überblick. Das Tafelsilber ist schon verkauft, die Hälfte des Haushalts fressen Zinsen und Renten auf.

Berlin. "Die Haushalte des Bundes und der Länder sind in einer nie dagewesenen, kritischen Lage." Kein Geringerer als Bundespräsident Horst Köhler sagte diesen alarmierenden Satz in seiner Fernsehansprache am 21. Juli, als er den Bundestag auflöste und Neuwahlen für den 18. September ansetzte. So katastrophal wie derzeit war die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte in der Tat wohl noch nie.

Der Gesamtschuldenberg des Landes ist auf mehr als 1400 Milliarden Euro angewachsen, Tendenz steigend. In den öffentlichen Haushalten klafft allein in diesem Jahr eine Lücke von rund 80 Milliarden Euro. Ein Großteil der Bundesländer ist nicht mehr in der Lage, einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen. Die Bundesfinanzen sind restlos zerrüttet. Wer also nach der Wahl am Sonntag das Land regieren wird, steht haushalts- und finanzpolitisch vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe.

Vielleicht ist das ein Grund dafür, daß in diesem Wahlkampf alle Parteien kaum darüber reden, wie sie die Staatsfinanzen sanieren wollen. Viel lieber reden und streiten alle über Steuerkonzepte. Als Hans Eichel (SPD) im Frühjahr 1999 nach der schnöden Flucht von Oskar Lafontaine Bundesfinanzminister wurde, da hatte er noch grandiose Pläne. 2006 wollte er den ersten ausgeglichenen Bundeshaushalt nach 35 Jahren vorlegen. Erstmals seit 1970 sollte der Bund also ohne neue Schulden auskommen. Daraus wurde nichts.

Viel schlimmer noch: 2006 wird Deutschland wohl zum fünften Mal in Folge gegen das Defizitkriterium von Maastricht für einen stabilen Euro verstoßen. Nächstes Jahr will Eichel noch rund 21,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen, gleichzeitig aber für gut 30 Milliarden Bundesvermögen privatisieren, sprich: verkaufen. Damit ist das Privatisierungspotential erschöpft, das Tafelsilber verkauft. Dann wird der Bund, so rechnen Experten vor, Jahr für Jahr ein "strukturelles Defizit" - so heißt die Lücke zwischen Steuereinnahmen und Ausgaben - von mindestens 60 Milliarden Euro ausgleichen müssen, Tendenz steigend.

Wie dieses Loch gestopft werden soll, darüber schweigen sich bis dato alle Parteien aus, reden allenfalls wolkig von Konsolidierung, von "intelligentem" Sparen und von Subventionsabbau. Sparlisten werden aus Angst vor dem Wahlvolk unter Verschluß gehalten oder ihre Existenz glatt geleugnet. Rund die Hälfte des Bundesetats ist obendrein gebunden - für Zinsen und Zuschüsse an die Rentenkasse. Wie der Etat da wieder ins Lot kommen soll, bleibt vorerst also ein Rätsel.