Kommentar: Die Union und Paul Kirchhof

Im Wahlkampf 2005 wollten es die Parteien zur Abwechslung mal mit Ehrlichkeit probieren. Viel ist von dem Vorsatz nicht übrig geblieben. Vor allem die Union stolpert momentan über die Meßlatte, die sie sich gesetzt hat. Das beweist auf ebenso deprimierende wie komische Weise die Posse um Paul Kirchhof.

Erst wird der steuerkundige Professor mit größtem Tamtam ins Kompetenzteam von Angela Merkel gehievt und von den Parteigranden gefeiert, als sei der Union in Gestalt dieses Gelehrten nun der ultimative Weltweise in Sachen Steuerpolitik zugelaufen. Auch die Freidemokraten taten ganz begeistert. Vor einiger Zeit hatten sie Kirchhof einmal auf einem ihrer Parteitage als Gastredner gelauscht und ihn bejubelt als liberalen Bruder im Geiste.

Doch in der Öffentlichkeit kam der umtriebige Kirchhof laut Umfragen bei weitem nicht so gut an, wie sich die Union das gedacht hatte. Sofort begannen bei CDU und CSU feige Absetzbewegungen. Und die Liberalen spielten mal wieder Umfaller.

Jetzt werden Kirchhof und sein Konzept kleingeredet und bemäkelt. Jetzt wird plötzlich in der Union wieder Friedrich Merz nach vorne auf die Bühne geschoben, von dem jeder weiß, daß er sich mit Merkel so gut verträgt wie Feuer mit Wasser. Wer glaubt, daß solch ein durchsichtiges Manöver verfängt, muß die Wähler schon für ziemlich unbedarft halten. Und wer einen honorigen Mann wie Kirchhof derart verheizt, darf sich nicht wundern, wenn parteiferne Fachleute künftig noch einen größeren Bogen um die Politik machen.

Wer so dilettantisch Wahlkampf macht, darf sich nicht wundern, wenn er in den Umfragen sackt. Die Union, so sieht es aus, ist sich gegenwärtig selbst der größte Gegner.