Beschäftigen sich Männer nur mit ihrem Erfolg im Job oder ihrem Auto? Mit der Versorgung ihrer Familie? Oder auch mit “letzten Fragen“? Wie deuten sie die Welt, woraus gewinnen sie Hoffnung und Orientierung? Darüber ist wenig bekannt. Wissenschaftler der Universität Bayreuth beschlossen, der unsichtbaren Religion von Männern nachzuspüren, die den Kirchen nicht sehr nahe stehen. Bei ihren Interviews bekamen sie überraschende Antworten darüber, “was Männern Sinn gibt“.

Was gilt als "Männersache"? Fußball. Autos auch. Arbeit, Karrierechancen, Sport und Fit-Sein, Hausbau sind bei Männern oft im Gespräch, manchmal sogar öfter als Familie oder Partnerschaft. Männer reden aber nicht gern - und schon gar nicht öffentlich - darüber, was sie im Tiefsten bewegt und ängstigt; ob und welche religiösen Bedürfnisse sie haben.

Woran Männer glauben, ist nicht nur Meinungsforschern und Religionssoziologen unklar - auch den Kirchen. Männer nehmen kirchliche Angebote deutlich seltener in Anspruch als Frauen. Sogar die unterschiedlichen spirituellen "Szenen" am Rande oder außerhalb der Kirchen - Meditationsgruppen, alternative Körperarbeit und Tanz, Heilkunde und Psychotherapie - werden zum größten Teil von Frauen genutzt und gestützt.

Wissenschaftler des Instituts für religiöse Gegenwartsforschung an der Universität Bayreuth wollten Genaueres über die "unsichtbare Religion" der Männer herausbekommen - gerade solcher Männer, die nicht oder nicht mehr einer Gemeinde/Kirche angehören. "Es galt, der tiefen Sehnsucht der Männer auf die Spur zu kommen, ihrem Leben Sinn und Orientierung zu geben", heißt es in ihrer Studie "Was Männern Sinn gibt". Im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz führten sie in Bayern und Sachsen ausführliche Interviews mit 60 "kirchenfernen" Männern zwischen 20 und 70 Jahren - Singles, in Partnerschaft lebenden Männern und Familienvätern aus unterschiedlichsten Berufen. 40 hatten einen evangelischen, 20 einen katholischen Hintergrund. 15 gehörten keiner Kirche an (die meisten von ihnen in Sachsen).

Trotz ihrer Kirchenferne hatten viele der Befragten Kenntnisse und Erfahrungen mit kirchlichen bzw. religiösen Themen, zum Teil aus ihrer Jugend. Einige Ergebnisse der Interviews:

  • Männer erschaffen Lebenssinn selbst - als wichtige Bereiche nennen sie hier die eigene Arbeit und Familie.
  • Dabei ist nicht der Erfolg ausschlaggebend, sondern die eigene (Aufbau) Leistung und Verantwortung. Denn daß konjunktureller oder technischer Wandel den "Erfolg" schnell zunichte machen können, ist den Männern klar.
  • Familie: Die Kinder werden nicht selten als stabilisierender bewertet als die Partnerschaft, die störanfällig und verletzlich sein kann.
  • Kampf, Lernen und Abenteuer (Reisen), Beziehung, Kreativität und Selbstbestimmmung tauchen als Leitmotive des Lebens in allen Interviews auf.
  • Krisen, Niederlagen und Krankheiten wird dagegen keine Sinn-Bedeutung zugemessen; es sind nur Ereignisse, die man "durchstehen" muß.
  • Männer wollen nicht "fremdbestimmt" sein. Sie suchen in vielen "Gegenwelten" Entlastung vom Druck der Arbeit und der Verantwortungen.
  • Als große Kraftquelle und (romantische) Gegenwelt schildern sie die Natur.
  • "Gott ja, Kirche nein": Die Befragten stehen kirchlichen Hierarchien mißtrauisch gegenüber, grenzen sich von Dogmen ab. Sie fühlen sich von den Kirchen als kritische Gesprächspartner nicht ernstgenommen.
  • Dennoch akzeptieren sie die Kasualien der Kirchen (Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen), die kirchliche Werteerziehung sehen sie für ihre Kinder positiv.

"Die Studie hat das wissenschaftlich nachgewiesen, was wir auch schon bei unserer Arbeit festgestellt haben, nämlich daß Männer einen völlig anderen Zugang zu spirituellen Fragen haben", sagt Volker Karl Lindenberg vom Nordelbischen Männerforum. "Kirchenferne Männer unterscheiden sich darin überhaupt nicht von Männern, die in einer Gemeinde mitarbeiten." Lindenberg zieht ähnliche Schlüsse aus der Studie wie Dr. Martin Engelbrecht, daß sich die Kirchen öffnen müßten, um Männer zu erreichen. "Wenn ich so anmaßend wäre, den Männern zu sagen, was gut für sie ist, hätte ich schon verloren." Die Kirchen müßten den Mut haben, "ausgehend von den christlichen Grundwerten eine neue Diskussion mit den Männern zu beginnen: Wie kann man das in die heutige Zeit übersetzen? Können wir uns auch in eine neue Schöpfungsspiritualität hineindenken?"

Die befragten Männer selbst formulieren keine deutlichen Ansprüche an die Kirchen. Reicht die bisherige kirchliche Männerarbeit - Freizeiten, Vater-Kind-Gruppen, Segeltörns, Seelsorge - aus?

Uns interessiert Ihre Meinung. Finden Sie sich in der Studie wieder? Schreiben Sie uns: www.kirche@abendblatt.de