Fernseh-Diskussion: Sechs Spitzenpolitiker und zwei Journalisten. Nach dem Duell zwischen Merkel und Schröder kamen nun die Spitzen von PDS, FDP, Grünen und CSU hinzu. Heftige Antipathien waren nicht zu überhören.

Berlin. Sechs Tage vor der Bundestagswahl haben Kanzler und Herausforderin das Florett gegen den Säbel getauscht. Auf den Umfragesieg Gerhard Schröders (SPD) beim TV-Duell vor gut einer Woche waren Umfrageverluste für Schwarz-Gelb gefolgt. Beim zweiten Aufeinandertreffen der Kontrahenten im Fernsehen verschärft Angela Merkel (CDU) den Ton: Schröder verfalle in eine "des Bundeskanzlers unwürdige Polemik". Schröder kontert: "Die Art und Weise, wie Sie jetzt argumentieren, läßt ein bißchen vermissen, daß Wahlkämpfe Zeiten zugespitzter Argumentation sein müssen, aber nicht unbedingt beleidigend." Daraufhin Merkel: "Beleidigend, wenn wir schon darüber sprechen, sind Sie gegenüber Herrn Kirchhof."

Wer neben deftiger Rhetorik neue inhaltliche Akzente erwartet hat, wird bei der ARD-Diskussion "Die Favoriten" gestern enttäuscht. Trotz Abgrenzungen vom parteilosen Steuerexperten Paul Kirchhof in den schwarz-gelben Reihen zeigt sich Merkel erneut "froh", daß der Professor als Finanzminister-Kandidat zur Verfügung stehe. Die Union wolle Kirchhof "im Heizungskeller" einsperren, ätzt dagegen Joschka Fischer (Grüne). Doch der Schlagabtausch über den abwesenden Kirchhof ebbt bald ab.

Mit seinem bereits beim ersten TV-Duell erfolgreichen leicht herablassenden Charme wirft Schröder der Union vor, in der Kohl-Regierung die nötigen Reformen verschlafen zu haben. "Wir haben bewiesen, daß wir es können." Seit April entstünden täglich 1500 Arbeitsplätze, die "Agenda 2010" müsse fortgesetzt werden. Seit 49 Monaten, kontert Merkel, gingen jeden Tag über 1000 Jobs verloren. Schröders Agenda gehe zwar in die richtige Richtung. "Wir sagen: Es muß weitergehen!" Schröder: "Aber wo, wo muß es weitergehen?" Der Verlust des sozialen Zusammenhalts drohe.

Im gut eineinhalbstündigen Verlauf verfinstern sich die Mienen. Wenn Fischer, ganz Staatsmann, künftige Herausforderungen skizziert, blicken Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber skeptisch. Später rechnet Stoiber das Unionskonzept einer Gesundheitsprämie vor, wirbt FDP-Chef Guido Westerwelle für Steuersenkungen als bestes Beschäftigungsprogramm. Da weicht Schröders Lächeln minutenlang versteinertem Ernst, Fischer setzt seinen Habicht-Blick auf.

Nach einer Stunde und sieben Minuten läuft die von den Chefredakteuren Wolfgang Kenntemich (MDR) und Alois Theisen (HR) geführte Debatte ein wenig aus dem Ruder. Stoiber und Schröder werfen sich leere Versprechungen vor - und übertönen sich gegenseitig. Bereits zuvor hat Schröder zurückgewiesen, daß das Finanzministerium eine Streichliste ähnlich wie die ominöse Kirchhof-Liste erarbeitet habe. "Fleißige Beamte mit einem bestimmten Parteibuch" gebe es im Haus Hans Eichels.

Heftige Antipathie zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb ist hinreichend demonstriert, da fragen die Journalisten pflichtschuldig nach möglichen Koalitionen über Lagergrenzen hinweg. "Wir sind in der gleichen Situation, die wir 2002 hatten", sagt der Kanzler. Er sei optimistisch. "Eine große Koalition wird es nicht geben", stellt Merkel fest. Ein rot-gelb-grünes Bündnis kommt für Fischer und Westerwelle nicht in Frage.

Medienstar Gysi beschwerte sich über seine zu kurze Redezeit. "Ihr seid ja auch die kleinste Partei", bekam er zu hören. Im blauen Studio von Sabine Christiansen bleibt es Gysi vorbehalten, die Phantasie über politische Farbspiele anzuregen. "Die SPD ist ein bißchen zur zweiten Union geworden", meint er. Doch wenn die Sozialdemokraten wieder zu ihren Wurzeln fänden, sei eine Zusammenarbeit denkbar. Schröder läßt die Worte Gysis links neben sich verhallen.