Wenn ein Kind beschreiben soll, wie es sich einen "richtigen" Wald vorstellt, dann käme dies dem Nationalpark Bayerischer Wald vermutlich sehr nahe: dichte, urwüchsige Fichtenwälder mit moosbewachsenem Totholz, in denen Luchs, Wildkatze und ab und an (aus Böhmen eingewanderte) Wölfe umherstreifen - eine fast grenzenlose Waldwildnis auf 24 300 Hektar.

In kaum einem anderen deutschen Nationalpark wird das Motto "Natur Natur sein lassen" über viele Jahre so konsequent angewendet wie im Bayerischen Wald. Das führte in den 90er Jahren zu erhitzten Diskussionen mit Besuchern und umliegenden Privatwaldbesitzern, als der Bergfichtenwald im Schutzgebiet großflächig den Borkenkäfern zum Opfer fiel und der Schädling weitgehend ungestört walten durfte.

Im Laufe der Jahre zeigte die Natur, zum Beispiel an der Kuppel des 1373 Meter hohen Lusen, daß die Attacken den Wald nicht beseitigten - im Schutz der toten Bäume wachsen überall junge Fichten, Bergahorne, Birken, Vogelbeeren und Weiden nach, eine neue, artenreiche Baumgeneration.

Die Beobachtung und Dokumentation der vom Menschen ungelenkten, weitgehend natürlichen Entwicklung des Waldes und seiner Lebensgemeinschaften ist Schwerpunkt der Forschung im Nationalpark. Doch auch Menschen sind willkommen: Sie können auf etwa 300 Kilometer Wander-, 200 Kilometer Radwegen und 80 Kilometer Langlaufloipen die Waldwildnis genießen.