Hamburg Sound: Ausstellung über den Aufbruch in den 60er Jahren und den Karrierestart der Beatles in den Klubs von St. Pauli. Der Star-Club schloß bereits 1969. Originalteile seiner Bühne gehören zur Inszenierung einer Beatles-Ausstellung im hamburgmuseum.

Am 13. April 1962, zwei Monate nachdem die große Sturmflut Hamburg heimgesucht hatte, wurde an der Großen Freiheit 39 der Star-Club eröffnet. Manfred Weißleder, der Wirt dieser neuen Musikkneipe, hatte in Zeitungsanzeigen die Parole ausgegeben: "Die Not hat ein Ende!", und ein Plakat verkündete nicht minder vollmundig: "Die Zeit der Dorfmusik ist vorbei". Der Star-Club wurde zum Mythos und zum Symbol einer Ära, in der auf St. Pauli etwas begann, das bald darauf die ganze Welt eroberte: der Beat, der damals im angelsächsischen Raum "The Hamburg Sound" genannt wurde. Der Star-Club im engeren und Hamburg im weiteren Sinn gehören zudem zum Gründungsmythos der Beatles, die zunächst als namenlose Band in den Klubs von St. Pauli allabendlich für wenig Geld viele Stunden lang spielten und dabei jenen Stil entwickelten, der sie ein paar Jahre später zu Weltruhm und Reichtum führte.

Kein Wunder also, daß John Lennon später bekannte: "I grew up in Hamburg, not in Liverpool." Erstaunlich ist eher die Tatsache, daß Hamburg bisher sowenig Kapital aus seiner beatmusikgeschichtlich so bedeutsamen Rolle geschlagen hat: Der Star-Club wurde schon 1969 geschlossen, das Gebäude später abgerissen, es gibt noch immer kein Beatles-Museum, und erst jetzt wird an der Einmündung der Reeperbahn zur Großen Freiheit ein Beatles-Platz eingeweiht.

Um so erfreulicher ist es, daß das hamburgmuseum diesem Thema jetzt eine große und aufwendig gestaltete Ausstellung widmet. "The Hamburg Sound - Beatles, Beat & Große Freiheit" heißt der Titel der Schau, in der es - wie Kurator Dr. Ortwin Pelc erklärt - nicht allein um die Beatles geht, sondern um die gesamte Hamburger Szene der frühen sechziger Jahre. "Wir wollen zeigen, daß damals etwas von Hamburg ausgegangen ist, was später Weltgeltung erlangte, und welche Auswirkungen das auf die Jugendkultur, den Zeitgeist und das Lebensgefühl der 60er Jahre gehabt hat."

Aber warum geschah das ausgerechnet in Hamburg? "Die Stadt hatte die besten Voraussetzungen für eine solche musikalische Szene, in der viele Ideen, Stile und Anregungen einfließen konnten, denn Hamburg war eine große Hafenstadt, hatte eine Weltoffenheit, die es sonst in dieser Art in Deutschland nicht gegeben hat. Außerdem war die Stadt anglophil, verfügte daher über viele Verbindungen nach Großbritannien, und vor allem gab es hier unglaublich viele Klubs", erklärt Dr. Pelc, der die Besucher am Anfang der Ausstellung zurück in die 50er Jahre führt: Auf einem langen Gang erinnern Fotos und Plakate an die Nachkriegszeit, die einerseits vom Kalten Krieg geprägt war, in der zum anderen aber die gesellschaftlichen Konventionen der bürgerlichen Gesellschaft weitgehend ungebrochen waren.

Wie ein kleinbürgerliches Wohnzimmer in dieser Zeit aussah, kann im Original besichtigt werden. Um die Wände des Ausstellungsraums ziehen sich Zeitleisten, die anhand von Ereignissen die politischen, sozialen und kulturellen Umbrüche dieser Ära dokumentieren.

Im heftigen Konstrast zum bürgerlichen Wohnzimmer steht die - hier durchaus doppeldeutig zu verstehende - "Große Freiheit", die Klubszene auf St. Pauli, die mit einem Panorama aus Leuchtreklamen, Plakaten und vielen historischen Fotos inszeniert wird. Ein eigener Ausstellungsteil ist natürlich den Beatles in Hamburg gewidmet. Man erfährt, wann und wo die Musikrebellen aus Liverpool aufgetreten sind, was und mit wem sie gespielt, wo sie gewohnt und wie sie sich benommen haben. Natürlich sind hier auch die berühmten Fotos von Astrid Kirchherr zu sehen, die mit der Band eng befreundet war und sich in den fünften Beatle Stuart Sutcliffe, der in Hamburg zunächst noch mit von der Partie war, verliebte.

Die Beatles traten auch im Kaiserkeller oder im Top Ten auf, doch zum Symbol für den Start ihrer Karriere wurde der Star-Club. Daher nimmt die rekonstruierte Bühne dieser legendären Musikkneipe innerhalb der Ausstellung auch den größten Raum ein. Ein paar der dafür verwendeten Bretter und Teile der Fassade sind ebenso original wie die Barhocker und einige Tische. Aber die Zeit blieb nicht stehen. Aus frechen Nobodys wurden Weltstars, und die waren bald nicht mehr bereit, für wenig Geld und viel Freibier stundenlang in verrauchten Klubs zu spielen.

Wenn die Stars, die Anfang der 60er Jahre im Star-Club ihren Stil gefunden hatten, später wieder nach Hamburg kamen, traten sie nicht mehr in Musikkneipen auf, sondern in der großen Ernst-Merck-Halle an der Jungiusstraße. Daß die Klubs Ende der 60er Jahre reihenwiese pleite gingen, hing eben auch damit zusammen, daß diejenigen, die früher hier vor maximal 300 Leuten gespielt hatten, diesen Rahmen längst sprengten und schlicht zu teuer geworden waren.

Das Jugendzimmer, das am Ende der Ausstellung zu sehen ist, macht deutlich, wieviel sich Ende der 60er Jahre bereits geändert hatte. Dazu sagt Dr. Orwin Pelc: "Jetzt waren schon Drogen wie LSD oder Haschisch mit im Spiel, die Anfang der 60er noch kaum eine Rolle gespielt hatten. Mit den Protesten gegen den Vietnam-Krieg und der Studentenrevolte gab es andere politische Konflikte, und eine Figur wie Twiggy zeigt, wie stark sich auch das modische Bewußtsein verändert hatte."

Als der Star-Club am Silvesterabend des Jahres 1969 für immer schloß, ging eine Ära unwiderruflich zu Ende. Was blieb, ist "The Hamburg Sound", ein Mythos, der - wie die Ausstellung zeigt - nicht nur Anlaß für nostalgische Rückblicke bietet, sondern sich bis heute als lebendig erweist.

  • The Hamburg Sound, hamburgmuseum, Holstenwall 24, 3.6.-5.11., di-sa 10-17, so bis 18 Uhr. Die Ausstellung ist deutsch und englisch beschriftet. 3. bis 5. Juni: Eröffnungswochenende mit internationalem Händlermarkt sowie Memorabilien. Dazu stehen Talkshows, Signierstunden, Auftritte zahlreicher Musiker und viele weitere Attraktionen auf dem Programm. Informationen unter der Telefonnummer 040/428132-28 27 und unter www.hamburgmuseum.de