Retrospektive: Der Zeichner Wolfgang Götze. Eine Ausstellung seiner Arbeiten in der Alten Feuerwache in Harburg

Am 26. Februar 2006 wäre er hundert Jahre alt geworden - Wolfgang Götze, Maler, Buchillustrator, Zeichner, Karikaturist und vor allem eins: Hamburger aus Leidenschaft. Fast jeder hat schon einmal seine filigranen Stadt-Ansichten mit den dichten, feinen Strichen gesehen, die an Rankwerk erinnern und oftmals von alten, knorrigen Bäumen begleitet sind. Seine einfühlsamen Porträtzeichnungen regionaler und überregionaler Persönlichkeiten, die Götze für die Rubrik "menschlich gesehen" des Hamburger Abendblattes angefertigt hat, haben ihn weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht.

Das Helms-Museum zeigt in einer Retrospektive eine Auswahl seiner Werke, die Sibylle Küttner, die Leiterin der Stadtgeschichtlichen Abteilung, zusammengestellt hat. Unterstützt hat sie dabei Bella Meyer-Götze, eine der drei Töchter des Künstlers, die vor zwei Jahren dem Museum 70 Zeichnungen als Stiftung übergeben hat.

1906 in Oldenburg geboren, sollte Götze auf Wunsch des Vaters Theologie studieren. Doch der Drang nach einer künstlerischen Betätigung war stärker. Wolfgang Götze wanderte nach Amerika aus und begann in Michigan ein Architekturstudium, das er aber zugunsten einer zeichnerischen Ausbildung wieder aufgab. Einer seiner Kommilitonen am Art Institute of Chicago war der Sohn Al Capones. Seinen Lebensunterhalt finanzierte sich Götze mit Aufträgen für Werbeagenturen und Zeitungen, darunter auch so renommierte Blätter wie die "Chicago Tribune". 1930 kehrte er nach Deutschland zurück, reiste mit dem Motorrad durch Italien, Frankreich und Spanien, wo zahlreiche Landschaftsaquarelle entstanden. Während des Krieges geriet er in russische Gefangenschaft, engagierte sich in der Theatergruppe des Lagers, entwarf Bühnenbilder und zeichnete Landschaften, Porträts und Tierbilder. Einige davon haben die Kriegsjahre überdauert und sind in der Ausstellung zu sehen.

Nach siebenjähriger Kriegsgefangenschaft kehrte Götze 1948 in seine Heimatstadt zurück, heiratete die Oldenburgerin Ursula Prohl und siedelte zwei Jahre später nach Hamburg über. Ihn faszinierte diese Stadt, und es schmerzte ihn zu sehen, daß zahlreiche alte Häuser der Spitzhacke zum Opfer fielen und durch gesichtslose Neubauten ersetzt wurden. Mit dem Hamburger Abendblatt machte er sich zur Aufgabe, alles, was abgerissen werden sollte, zu dokumentieren. Dann fuhr er mit seinem Wagen auf Objektsuche durch die Alt- und die Neustadt, durch die Elbvororte und das Alte Land und zeichnete bei Wind und Wetter die Stadt im Wiederaufbau, ihre Brücken, Kirchen und Mühlen. Mit speziellen Stahl-Kugelschreibern, wie er sie in Amerika während des Studiums kennengelernt hatte, fertigte er seine Zeichnungen mit dem zarten Strich. So entstand eine stadtgeschichtliche Chronik der Nachkriegszeit. Seine Passion für das Zeichnen hielt bis zu seinem Tod am 25. Januar 1988 an. Er war während eines Spaziergangs auf einer Parkbank eingeschlafen. Wolfgang Götze hinterläßt ein Werk von fast tausend Blättern Handzeichnungen und Druckgrafik, die eines Tages, so hatte es sich der Künstler gewünscht, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten.

  • Helms-Museum, Dependance Alte Feuerwache, Hastedtstr. 30-32, 21073 Hamburg, 30. 6.-29. 10., di-so 10-17, Führungen so 12. Uhr.