Hafenleben: Rund achtzig Gemälde und Fotografien aus Frankreich. Die Kunsthalle zeigt im Sommer Exponate aus dem Musée des Beaux-Arts und dem Musée Cantini.

Sie ist Partnerstadt von Hamburg, und wie Hamburg Hafenstadt: die südfranzösische Department-Hauptstadt Marseille. Vor allem aber verfügt Marseille über zwei bedeutende Museen, das Musee des Beaux-Arts und das auf die Moderne spezialisierte Musee Cantini. Beide sind im Sommer zu Gast in der Hamburger Kunsthalle. Rund achtzig Gemälde und Fotografien aus ihren Beständen zeugen vom lebhaften Hafen- und Kunstleben, von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die vierziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Künstlerisch bedeutend ist das traditionell "Tor zum Orient" genannte Marseille spätestens seit der "Schule von Marseille", eine sich im 19. Jahrhundert herausbildende Gruppe um den Maler Emile Loubon. Im ausklingenden Jahrhundert war es dann Cezanne, in dessen Gefolge Größen wie Derain oder Braque die Hafenstadt besuchten.

In sechs Kapiteln präsentiert sich "Marseille zu Gast" in chronologisch und thematisch gegliederten Gruppen. Den Anfang nehmen Werke unter anderem von Jean-Joseph Kapeller, der in der Tradition des Hafen- und Seestückemalers Claude-Joseph Vernet seine Schilderung des größten Mittelmeerhafens Frankreichs um ein militärisch historisches Ereignis aufbaut. Jahrzehnte später (1825) bezieht sich auch François Gerard auf ein historisches Ereignis der Stadt, die verheerende Pest Anfang des 18. Jahrhunderts.

Der Name von Jean-Antoine Constantin steht für die Wende in der Landschaftsmalerei um 1800, die nun beginnt, mehr wissenschaftliche Genauigkeit, aber auch romantische Dramatik einzubeziehen. Entscheidenden Einfluß auf die Kunst in Marseille nimmt dann Constantins Schüler Emile Loubon. Der in Rom und Paris geschulte Künstler avanciert zur Leitfigur einer regionalen Bewegung. Diese setzt sich nicht nur von Paris ab und sympathisiert mit Bewegungen für eine der Tradition verpflichtete Provence um den Schriftsteller Frederic Mistral. Sie konzentriert sich darüber hinaus auf das Ländliche, das einfache Volk um Marseille, und bezieht in klaren, hellen und kontrastreichen Farben das mediterrane Licht mit ein. Doch trotz aller Besinnung auf Originäres übersieht sie nicht den großen Umbruch, der sich wortwörtlich anbahnt: die Industrialisierung und den Aufbau der Eisenbahn. Fabius-Germain-Joseph Brest, ein Loubon-Schüler, wird den Eingang eines Tunnels in einer ansonsten unberührten Landschaft mitten ins Bild plazieren.

Zwei Tendenzen, eine realistische sowie eine vorimpressionistische, bilden sich nun heraus. Von Alphonse Moutte, einem Meissonier-Schüler, stammt das ganz auf Alltags-schilderung hin konzipierte Gemälde "Entladen von Getreide in Marseille" (1876). Demgegenüber ist Adolphe Monticellis Herbstlandschaft "Le Garlaban" (1874) in ihrem pastosen Farbauftrag von impressionistischer Ahnung erfüllt. Und es ist van Gogh, der, unter anderem durch Monticellis Gemälde inspiriert, seinen Weg in den Süden Frankreichs findet. Jahrzehnte später wird Paul Signac das klare Licht in Marseilles Hafen in pointillistischer Manier festhalten.

Viele Jahre verbrachte Paul Cezanne seine Sommermonate in L'Estaque, einem vorortähnlichen Stadtteil von Marseille. Seinem Beispiel folgen später Andre Derain, Georges Braque oder Raoul Dufy, die den mittlerweile touristisch beliebten Ort, aber auch die karge Landschaft um Marseille, zum Motiv nehmen.

Nie gemalt wurde ein imposantes Industrie-Monument der Hafenstadt: der Pont Transbordeur, eine 1944 abgetragene Schwebefähre, die den Weg über das Hafenbecken verkürzte. Um so willkommener wird die auch als "Eiffelturm von Marseille" titulierte Fähre nun von den Fotografen des "Neuen Sehens" aus allen Perspektiven entdeckt, unter anderem von Germaine Krull, Laszlo Moholy-Nagy und Herbert Bayer.

  • Kunsthalle, 16.6.-17.9., Katalog, Rahmenprogramm unter www.im-Licht-des-Suedens.de