Kinderschicksale: Menschenhändler nutzen offenbar das Chaos für Entführungen und illegale Adoptionen.

Es gibt sie, die guten Nachrichten, die nach der Flutkatastrophe in Südasien verzweifelte Angehörige auf der Suche nach ihren Lieben doch noch hoffen lassen. So ist im thailändischen Khao Lak ein 18 Monate alter Junge aus Kasachstan gerettet worden, der die mörderischen Flutwellen und eine ganze Woche ohne Nahrung und Wasser auf einer Luftmatratze überlebt hat. In Galle auf Sri Lanka fand ein Großvater seine vermißte vierjährige Enkelin in einer Leichenhalle - sie lebte und war völlig unversehrt. Kleine Wunder. Doch es sind auch die Kleinsten, die nach der Katastrophe zunehmend Opfer von Kriminellen werden. Verbrecher entdecken Waisenkinder als Einnahmequelle.

Ermittler aus Thailand und aus Schweden fahnden nach einem zwölfjährigen schwedischen Jungen, der aus einem Krankenhaus in Thailand entführt worden sein soll. Der verletzte Kristian Walker sei von einem Mann verschleppt worden, zitierte die schwedische Zeitung "Expressen" einen Arzt der 30 Kilometer vom Ferienort Khao Lak entfernten Klinik. Kristians Vater Dan und sein Großvater Daniel hätten mehrere Augenzeugen gefunden, die das mysteriöse Verschwinden des Jungen bestätigten.

Hilfsorganisationen befürchten, der Entführer wolle entweder ein Lösegeld erpressen, aus einer Adoption Kapital schlagen oder die Zuschüsse der örtlichen Behörden für Waisenkinder kassieren. Der Mann, der Kristian mitgenommen haben soll, wurde als "europäisch aussehend" beschrieben. Er habe einen Oberlippenbart und ein rotes T-Shirt getragen. Nach Polizeiangaben sind zwei schwedische Polizisten auf dem Weg nach Thailand, um der örtlichen Polizei bei der Suche nach dem Jungen zu helfen. Die Angehörigen hatten Kristian zunächst für tot gehalten. Seine Mutter sowie deren Partner werden vermißt; die beiden Geschwister konnten sich retten und zum Vater nach Schweden gebracht werden.

Die Kinderschutzorganisation NCPA hat davor gewarnt, im Katastrophengebiet verirrte Kinder aufzugreifen. Es gebe Klagen, daß Kinder unrechtmäßig adoptiert wurden, sagte auch ein Beamter auf Sri Lanka. Jeder, in dessen Obhut sich solche Kinder befänden, solle sofort Polizei oder Behörden informieren, forderte Harindra de Silva, Leiter der NCPA (National Childcare Protection Authority). Es bestehe immer die Möglichkeit, daß Eltern oder Angehörige gefunden würden.

Hilfsorganisationen verweisen zugleich darauf, einige Verwandte von Waisenkindern könnten mehr an den Zuschüssen der Regierung für Waisenkinder interessiert sein und die Kleinen verstoßen, sobald sie das Geld haben. Nach einem Bericht der indischen Zeitung "Hindustan Times" haben sich in einigen Fällen Fremde als Verwandte ausgegeben, um an das Geld zu kommen.

Ein Mitarbeiter des Uno-Kinderhilfswerks Unicef berichtet von einem Mann, der sich als Onkel eines Kleinkindes ausgab und fast schon mit ihm abgezogen war. Doch das Kind wollte nicht mit, der Mann wurde als Betrüger entlarvt. "Die Waisenkinder sind wertvoll für die Angehörigen und auch für andere", sagte der Gründer der Hilfsorganisation Udhavum Karangal (Helfende Hände), Vidyaakar. "Es geht um Geld von der Regierung."

Im Falle der kleinen Jayashree (3) aus dem ostindischen Nagapattinam, ihrer Schwestern Nithya (6) und ihrem Bruder Gunasekaran (10) macht das mindestens 100 000 Rupien pro Kind. Umgerechnet knapp 1700 Euro hat die indische Zentralregierung jetzt den beiden Großmüttern der Kinder, die ihre Eltern verloren haben, in Aussicht gestellt. "Meist haben sich die Angehörigen nur gemeldet, weil sie sich Ansprüche auf die staatlichen Zahlungen versprechen", sagte ein Mitarbeiter des Hilfshamps Thiravur bei Nagapattinam. Vidyaakar befürchtet, viele Kinder könnten wieder auf der Straße landen, sobald die Hilfsgelder gezahlt sind.

In dem Durcheinander nach den Überschwemmungen warnt die Kinderhilfsorganisation Save the Children außerdem, Kinder in Kliniken könnten Opfer von Pädophilen werden. Es gebe Hinweise, wonach überlebende Kinder in Sri Lanka sexuell mißbraucht worden seien. In Sri Lanka alarmierte eine Frauenrechtsgruppe die Behörden, weil überlebende Frauen und Mädchen in den Auffanglagern Opfer von Vergewaltigern wurden.