Im Vorfeld der Kommunalwahl ziehen Lüneburgs Lokalpolitiker Bilanz. Heute: Birte Schellmann, Mitglied der FDP-Fraktion.

Das Abendblatt hat die Mitglieder des Lüneburger Stadtrats um ein Fazit der vergangenen Legislaturperiode gebeten. Nachgefragt hat Carolin George.

Abendblatt:

Was war für Sie der größte Erfolg während der vergangenen fünf Jahre im Rat?

Birte Schellmann:

Dass durch maßgebliche Initiativen der FDP die Fusion der Sparkasse und damit der Untergang einer bürgernahen Versorgung mit Bankleistungen für Stadt und Landkreis verhindert werden konnte. Die jüngste Entwicklung der Sparkasse zeigt, dass bei gehöriger Anstrengung und Fantasie die von der Fusion behaupteten Vorteile sehr gut auch im Alleingang erreicht werden können. Auch dass sich der Rat trotz scheinbar klarer Mehrheitsverhältnisse schließlich doch für den Erhalt des Tiergartenkamp als Naherholungsgebiet für Kaltenmoor entschieden hat.

Was buchen Sie als Misserfolg ab?

Dass der Rat über die gezielten Konjunkturförderungsprogramme hinaus zahlreiche, teilweise zwar wünschenswerte Projekte in Angriff genommen hat, die angesichts der Kassenlage der Stadt zurzeit aber nicht zu verantworten sind. Ich nenne beispielhaft den Finanzbeitrag zum Audimax, das Bildungszentrum Avacon-Gelände, Neues Museum ohne überzeugendes Konzept und das neue "Gemeindehaus Ebensberg Elm plus".

Wessen Arbeit hat ihnen im Rat am meisten imponiert?

Auch wenn das unbescheiden klingt: die stets gute Sitzungsvorbereitung der FDP. Ich muss mich außerdem oft fragen, woher ich den Mut nehme, immer wieder gegen oft unhaltbare Meinungen des Oberbürgermeisters Stellung zu beziehen, obwohl ich mir dazu unsachliche und verletzende Angriffe anhören muss.

Worüber haben Sie sich geärgert?

Dass der Rat sich nicht überwinden konnte, zur Verbesserung der Migrantenintegration das als überaus erfolgreich erkannte System der "Kulturmittler" als Pilotprojekt zwischen Elternhäusern und Grundschulen einzurichten, obwohl dafür verglichen mit den Kosten zum Beispiel des Projektes "Elm plus" nur eine vergleichsweise geringe Summe hätte eingesetzt werden müssen. Auch dass die Mehrheit des Rates ohne Sensibilität und ästhetisches Empfinden für die historischen und gewachsenen Strukturen der Stadt Investorenprojekte wie die Nordlandhalle und Bebauungspläne wie in Rettmer gegen anerkannte Regeln der Städtebauplanung durchsetzt.

Wie viel Prozent von dem, was Sie sich vorgenommen hatten, ist eingetreten?

Viele Entscheidungen des Rats entsprechen dem FDP-Programm und wurden von uns mitgetragen. Aus 20-jähriger Erfahrung weiß ich aber, dass es für einen Antrag im Lüneburger Rat stets schädlich ist, wenn er aus der Opposition heraus gestellt wird. Entweder muss man durch geschicktes Taktieren Mehrheiten außerhalb der Mehrheitsgruppe zimmern, was in ganz seltenen Ausnahmefällen mal gelingt, zum Beispiel bei der Sparkassenfusion oder am Tiergartenkamp. Meistens werden solche Anträge aber einfach abgeschmettert; wenn es freundlich abläuft ohne persönliche Angriffe.

Warum treten Sie bei der kommenden Kommunalwahl wieder an?

Ich trete wieder an, weil ich immer noch überzeugt davon bin, dass es der Qualität von Ratsentscheidungen nur gut tun kann, wenn sie von möglichst vielen unabhängigen und kritischen Ratsmitgliedern beeinflusst werden, die nicht um jeden Preis am Machterhalt interessiert sind.