Eine Glosse von Daniela Pemöller

Kennen Sie die auch? Diese Menschen mit den dicken Autos in der Auffahrt, die neuerdings die Hamburg-Flagge auf ihrem Fahnenmast gegen eine Atomkraft-nein-danke-Sonne getauscht haben. Eigentlich habe ich über sie und ihren Widerspruch immer gerne gelästert. Doch seit dem jüngsten Streitgespräch mit einem Kollegen fühle ich mich wie jemand, der im Glashaus sitzt und mit Steinen wirft. Denn schließlich ich bin keinen Deut besser.

Auch ich bin für eine saubere Zukunft, fahre aber trotzdem seit vielen Jahren ein schwedisches Stahlschiff, das 46 Jahre auf dem Buckel hat. Mein Volvo Amazon hat keinen Kat, verliert gerne mal etwas Öl und verbraucht gut neun Liter im Stadtverkehr. Und um alles noch schlimmer zu machen: Ich fahre meinen schmucken Schatz nicht nur an Schönwetter-Tagen, sondern im Alltag. Das ist voll der Widerspruch, raunzt ein Kollege. Mag sein, denke ich achselzuckend. Doch die Leute rennen ja auch an die Elbe, um Traumschiffe zu gucken. Dabei stoßen die 15 größten Luxusdampfer laut Nabu genauso viel Schwefeldioxid aus wie alle 750 Millionen Autos weltweit. Anders als die vielen SUV-Fahrer ernte ich mit meinem hübschen Oldie keine bösen Blicke, sondern hochgereckte Daumen.

Grünes Denken gehört heute zum guten Ton. Doch Anspruch und Wirklichkeit liegen oft weit auseinander. Das zeigen uns die Hamburger Politiker, die - Umweltmetropole hin oder her - ausgerechnet das klimafreundlichste Verkehrskonzept Stadtbahn von der Agenda kickten. Aber auch Promis wie Prinz Charles, der zwar seinen Pkw-Fuhrpark auf Bratfettantrieb umgerüstet hat und Regenwasser für den königlichen Klogang verwendet, aber gleichzeitig die vergessenen Pumps seiner Camilla mit einer Sondermaschine von London nach Kuwait hinterherfliegen lässt.

Pah, denke ich und zitiere den Schriftsteller Robert Musil: "Die Welt kann nur durch die Leute verbessert werden, die zu ihr im Widerspruch stehen." Außerdem soll ein gepflegter und restaurierter Mittelklassewagen erst nach rund 30 Jahren die gleiche Umweltbelastung verursachen wie die Herstellung eines Neufahrzeugs. Oder anders ausgedrückt: Es ist klimafreundlicher, einen Oldtimer zu fahren, als sich alle drei Jahre ein neues Auto mit der umweltschonendsten Technik zu bestellen. Basta.

+++ Zum Nachlesen: Das Postskriptum rund ums Auto +++