Wer per Anhalter reist, erlebt so manches. Doch manchmal ist die Fantasie des Trampers kein guter Wegbegleiter.

Wer kann es ihm verübeln, seinen Fluchtversuch aus Bautzen. Doch leider ging der Plan des sächsischen Wachtelhundes nicht auf. Dabei lief anfangs alles wie geleckt. Erst brachte der Mischling einen Autofahrer am Stausee Burk zum Bremsen. Als dieser die Tür öffnete, sprang der Jagdhund rein und weigerte sich vehement, wieder auszusteigen. Die Botschaft war klar: Nimm mich mit, Mann. Das tat der Autofahrer dann. Allerdings nur bis zur nächsten Polizeistation, wo er ratlos Hilfe suchte. Und das Anhalter-Glück ein jähes Ende fand.

Diese Meldung erinnert mich an meine eigene Tramper-Erfahrung. Zwar endete die nie bei der Polizei, dafür meist aber ebenfalls ziemlich abrupt. Schuld daran war mein irres Kopfkino. Wie letztes Jahr auf Borkum. Meine Freundin und ich hatten uns beim Strandspaziergang etwas verschätzt. Es dämmerte bereits, und wir waren zu müde für den Rückweg. Den Bus hatten wir verpasst. Der nächste kam in einer Stunde. So blieb uns nichts anderes übrig, als den Daumen zu recken. Ein Rentnerehepaar im grünen Opel Vectra fuhr stur vorbei. Ein getunter, dunkelblauer Golf 3 auch. Doch dann drehten der junge Glatzkopf und seine Blondine noch mal um. Mit gezwungenem Lächeln luden sie uns ein. Rammstein dröhnte in voller Lautstärke aus den Boxen. Gesprochen wurde kein Wort. Meine Freundin warf mir einen angstfreien, aber fragenden Blick zu. Schon als Teenager war sie, wenn unter Zeitdruck, gern mal in wildfremde Autos gestiegen. Das war zwar im Hamburger Westen, aber für mich trotzdem unvorstellbar.

Unruhig rutschte ich auf dem Rücksitz herum und starrte wie gebannt auf den Böhse-Onkelz-Aufkleber am Armaturenbrett. Als wäre er die Leinwand zu dem Film, der in meinem Hirn längst lief. Sein Titel: In den Fängen von Neonazis. Schließlich hatten wir gerade erst über verschwiegene Inselbewohner und Naziverbrechen palavert. Ich versuchte die aufkommende Panik zu kontrollieren. Doch meine Fantasie war mächtiger. Mit gepresster Stimme bat ich die vermeintlichen Entführer, uns beim nächsten Dorf abzusetzen. Was folgte, war ein 30-minütiger Fußmarsch. Und die Erkenntnis, dass meine Freundin es viel lieber wie der Hund gemacht hätte: Sie wäre sitzen geblieben.

+++ Zum Nachlesen: Das Postskriptum rund ums Auto +++