Nova Meierhenrich (33), Moderatorin über Schauspielerin, und Mutter Helga (57), Erzieherin:

Ich bin das älteste von vier Kindern und damit Wegbereiter für meine Brüder gewesen. An mir wurde jede Erziehungsmethode ausprobiert, und ich musste alles auskämpfen. Meine Brüder hatten es später sehr viel einfacher. Während der Pubertät fand ich das natürlich sehr ungerecht, und es gab viele Machtkämpfe. Da stand dann schon mal mein gepackter Koffer vor der Tür - aber nie länger als ein paar Stunden. Mit 16 Jahren ging ich für anderthalb Jahre in die USA. In dieser Zeit sind wir alle erwachsen geworden - ein Abnabelungsprozess, den wohl jedes Kind durchmachen muss. Doch auch, wenn ich unter strenger Hand aufwuchs, habe ich eine sehr, sehr gute Erinnerung an meine Kindheit. Meine Mutter hat uns immer ermutigt, unsere Träume zu verwirklichen. "Wenn ihr dabei auf die Nase fallt, dann steht wieder auf und putzt euch den Staub von den Knien und macht weiter." Sowieso hatte sie großes Vertrauen in unsere Fähigkeiten. In dem Neubaugebiet, in dem wir wohnten, gab es keine Spielplätze. Ich beklagte mich bei meiner Mutter. Sie meinte: "Dann ändere das!" Also fing ich an, Unterschriften zu sammeln. Dann stattete ich unseren beiden Lokalzeitungen einen Besuch ab, und schrieb Briefe an Bürgermeister und Stadtdirektor - mit elf Jahren. Am Ende hatte ich meinen Spielplatz. Als Kind dachte ich zwar manchmal: "Mensch, jetzt ergreif doch mal Partei für mich!" Aber aus heutiger Sicht weiß ich, dass meine Mutter mir so zu Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein verholfen hat.

Meine Mutter ist ein Freigeist. Sie hat uns im Glauben aufgezogen, dass alle Menschen gleich sind. Vorurteile sind ihr fremd. Kulturelle Offenheit war ihr genauso wichtig wie politische. Sie brachte mir bei, auch über den Tellerrand zu schauen. Soziales Engagement ist für uns alle sehr wichtig. So bin ich zum Beispiel seit Jahren Patin der SOS-Kinderdörfer.

Von meiner Mutter habe ich außerdem die Augen und den Dickkopf. Mit ihr kann ich mich ehrlich in Rage diskutieren. Denn meine Mutter glaubt sich immer im Recht, genau wie ich. Für andere kann das manchmal anstrengend sein. Eine weitere Eigenart meiner Mutter: Für sie gibt es nur den perfekten Weg, etwas zu erledigen. Typisch Jungfrau eben. Selbst wenn Variante B und C auch zum Ziel führten, tat man gut daran, es auf ihre Weise zu machen, sei es nun beim Wäsche aufhängen oder Spülmaschine einräumen. Für uns Kinder war sie schließlich eine Respektsperson. Heute ist unser Verhältnis freundschaftlich. Wir sind auf Augenhöhe. Mutter weiß immer, was in meinem Leben vor sich geht, und ich, was in ihrem passiert. Wir telefonieren mindestens jeden dritten Tag miteinander, sehen uns, so oft es geht. Gerade erst war sie für eine Woche bei mir in Hamburg, nachdem ich ja erst vor drei Monaten hierher gezogen bin.

Meine Mutter ist sehr abenteuerlustig und wissbegierig. Als Kind wollte sie auf eine weiterführende Schule gehen. Doch ihre Eltern, einfache Bergarbeiter, fanden, für Mädchen würde sich das nicht lohnen und schickten den Sohn auf die Schule. Mutter hat sich vieles aus eigener Kraft angeeignet. Momentan lernt sie an der Volkshochschule Englisch, damit wir gemeinsam Amerika unsicher machen können.