Egal ob in Sydney oder in Sossenheim - es gibt weltweit wahrscheinlich nicht ein Kind, das während der Aufzuchtphase nicht mindestens einmal gedacht hat: "Wenn ich mal groß bin, dann mache ich alles ganz anders. So werde ich nie werden. Das tue ich meinen eigenen Kindern niemals an." Mit Grausen erinnert man sich an die standhafte Mutter, die einem das Lebensrecht auf einen bunten Pulli jahrelang hartnäckig verweigert hat - und das nur, weil Kinder in Dunkelblau angeblich am nettesten und gediegensten aussehen. "Guck dir die Italiener an", haben solche Mütter gesagt, "Dunkelblau und Weiß - das hat Klasse." Man hätte alles gegeben für ein wenig mehr Farbenvielfalt in der Garderobe, aber Mama blieb unbeeindruckt.

Ob beim Essen "An eine gute Salatsauce gehört ein Hauch Zucker" oder bei der Kleidung "In Sandalen gehören keine Socken" oder bei Haustieren "Katzen sind hinterhältig" oder bei der Männerwahl "So ein Dreitagebart sieht einfach schlimm aus" - jede Familie hat bestimmte Ansichten, die sich von Generation zu Generation weitervererben. Egal, wie peinlich, grauenvoll oder grässlich spießig man bestimmte Gewohnheiten und Traditionen als Kind fand. Früher oder später erwischt man sich dann doch dabei, wie man seine Herkunft nicht verleugnen kann, entdeckt die Spuren, die die Mutter in der eigenen Weltsicht, in der Art, wie man den Tisch deckt, in Meinungen, Gewohnheiten und Geschmack hinterlassen hat.

Meist fängt es ganz harmlos an. Man sagt einen Satz wie: "Ich will doch nur dein Bestes" - und bevor das eigene Kind entnervt die Augen verdrehen kann, durchfährt es einen wie ein Stromschlag: "Ich rede wie meine Mutter. Ich denke wie meine Mutter. Ich bin wie meine Mutter!" Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Denn erstens ist vieles gar nicht so übel, wie man immer dachte, und zweitens geht es allen so: Wie in Trance schüttet man plötzlich ein wenig Zucker an die Salatsauce, egal wie angesagt ein Dressing mit reichlich Balsamico-Essig ist - die Geschmacksnerven wollen sich nicht wirklich daran gewöhnen. Man verwendet Tischsets - weil ein Tisch ohne doch irgendwie seltsam nackt aussieht - und im Winter zieht man die Biberbettwäsche auf. Man mag lieber Hunde als Katzen und rüttelt sonntags morgens mit den Worten "Der frühe Vogel fängt den Wurm" verzweifelt an nahezu komatösen Teenagern. Der Apfelbrei heißt Apfelbrei und nicht Apfelmus, und natürlich kommt das Christkind und nicht etwa der Weihnachtsmann oder umgekehrt. Jahrelange Prägung bleibt eben nicht ohne Folgen. Und so bekommt man nicht nur Augenfarbe, Haardichte, Knubbelknie, sondern auch Lebens-Rezepte, Hausputz-Angewohnheiten, Ansichten, Geschmack und Denkweisen von Müttern vererbt, gibt es nicht nur einen Stammbaum voller Urahnen, sondern auch voller Macken und Marotten, an denen man mühelos die Familienzugehörigkeit erkennen könnte.

Auszug aus: Alles über meine Mutter, von Susanne Fröhlich und Constanze Kleis, Krüger-Verlag, 256 S., gebunden, 16,90 Euro.

\* Verlosung:

Abendblatt Journal verlost zehn Exemplare von "Alles über meine Mutter". Postkarte mit Stichwort "Mutter" an Hamburger Abendblatt Journal, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg schicken. Einsendeschluss ist der 2. November 2007.