Sportmedizin: Die Bänder, die alle Gelenke stabilisieren, lassen sich nicht beliebig dehnen. Doch die Dehnbarkeit der Muskeln und Sehnen kann verändert werden - hier setzen die Übungen an, um fit zu werden oder beweglich zu bleiben.

Wie beweglich ist mein Körper? Das ist zunächst einmal eine Frage der Veranlagung, der Gene. Denn die Bänder, die alle Gelenke stabilisieren, lassen sich nicht beliebig dehnen. Ihre Dehnbarkeit ist vorgegeben. Die meisten Menschen bewegen sich dabei zwischen den Extremen, die es in seltenen Fällen auch gibt: "Wer sehr dehnbare, so genannte hyperlaxe Bänder hat, kann zum Beispiel einzelne Finger fast rechtwinklig nach hinten biegen oder mit seinem Daumen die Unterseite des Unterarms berühren", sagt Dr. Thorsten Gehrke (43), Orthopäde, Sportmediziner und Leitender Oberarzt an der Endo-Klinik. Diese Menschen wirken sehr beweglich, haben dadurch aber auch Nachteile. Bei ihnen kugelt ein Gelenk schneller aus, oder sie knicken leichter mit dem Fuß um, was beim Sport schnell zu Verletzungen führen kann.

Die Dehnbarkeit unserer Bänder können wir kaum verändern, wohl aber die Dehnbarkeit der Muskeln und Sehnen - und hier setzen alle Übungen an mit dem Ziel, fit zu werden oder beweglich zu bleiben. Vor jedem Training sollte man mit einem "Stretching" die Muskulatur lockern. Dafür gibt es unterschiedliche Techniken, die in ihrer Wirkung alle sehr ähnlich sind. Von wippenden, rhythmischen Bewegungen haben vor zehn Jahren noch viele Sportmediziner abgeraten. Gehrke über den aktuellen Wissensstand: "Keine Dehntechnik ist den anderen wirklich überlegen. Wichtig ist nur, dass man vor jedem Bewegungstraining ein Aufwärmtraining macht, möglichst zehn bis 15 Minuten."

Mangelnde Bewegung gilt als Hauptursache zahlreicher Wohlstandserkrankungen, von Übergewicht bis zu schmerzhaften Bandscheibenleiden. Die Folge: unterschiedlich beanspruchte Körperteile, deren Muskulatur für ein Ungleichgewicht, für eine "Dysbalance", sorgt. "Das führt zum Beispiel zu krankhaften Fehlhaltungen", sagt Gehrke. Bestimmte Muskeln neigen zu einer Verspannung, etwa die Rückenmuskulatur im "Kreuz". Völlig anders wirkt die Bauchmuskulatur, die zu einer schlaffen Haltung neigt, oft gefördert durch überflüssige Pfunde. Wenn dadurch das Gleichgewicht aus den Fugen gerät, bildet sich zum Beispiel ein Hohlkreuz.

Wenn dagegen die Brustmuskulatur verspannt ist, entsteht eine Körperhaltung, bei der man sich leicht vornüber gebeugt mit trichterförmig gewölbten Schultern bewegt. Bei ausgeprägter Fehlhaltung helfen nur noch spezielle Gymnastikübungen unter krankengymnastischer Anleitung.

Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, empfiehlt Gehrke "eine breite Palette von Grundübungen". Ideal sei zum Beispiel die Modesportart "Nordic Walken", also zügiges Gehen mit zwei Stöcken, die gegenläufige Armbewegungen unterstützen und einen weiteren Vorteil haben. Gehrke: "Das Einsetzen der Stöcke reduziert den Druck auf Hüft-, Sprung- und Kniegelenke um 30 bis 40 Prozent." Sie fördern also ein schonendes Training. Das Walken gilt als Ganzkörperbelastung, ist "extrem gelenkschonend, verbessert die Ausdauer und wirkt positiv auf Atmung, Herz und Kreislauf", sagt Gehrke. Als "eine der gesündesten Sportarten" nennt der Mediziner die Gymnastikübungen nach der Yoga-Lehre, die wirkungsvoll für Entspannung sorgten.

Wie soll man sich verhalten, wenn sportliche Übungen unangenehm werden? "Nie in den Schmerz hineintrainieren", rät Gehrke den Breitensportlern. Wenn ein "Zwiebeln" die Schmerzgrenze markiert, sei dies ein Alarmsignal des Körpers, ebenso heftiger Muskelkater. Dies sei nicht ein Zeichen von zu viel Milchsäure in den Muskeln, wie man lange glaubte, vielmehr eine "Mikro-Muskelverletzung", so Gehrke. Dann sind winzige Fasern gerissen und entzündet, oft als Folge eines unkoordinierten oder zu heftigen Trainings oder mangelnder Aufwärmübungen. "Ein wenig Muskelkater gehört jedoch dazu", beruhigt der Sportmediziner.

Wer seine Beweglichkeit fördern oder erhalten will, sollte drei- bis viermal pro Woche eine halbe Stunde dafür opfern. Denn nur regelmäßiges Training macht auf Dauer Sinn. "Aber es gibt keine Altersgrenze", sagt Gehrke. Der Erfolg stelle sich aber schnell ein. "Wer beweglich ist, fühlt sich besser, in Kopf und Körper."