Nicht jeder, der sich bewegen möchte, muss gleich zum Marathonläufer werden. Aber ein regelmäßiges Ausdauertraining kann den Blutdruck senken und das Immunsystem stärken.

Am Straßenrand stehen Tausende Zuschauer und klatschen den Läufern begeistert entgegen. Nur noch 100 Meter bis zum Ziel, nur noch zehn Meter, geschafft! 42,195 Kilometer liegen hinter den Sportlern. Völlig verausgabt, aber zufrieden hüllen sie sich in warme Decken. Ein Marathon - nur etwas für engagierte Sportler? Weit gefehlt! Innerhalb eines Jahres kann es ein Laufanfänger schaffen, die nötige Ausdauer zu trainieren, um an einem Marathon teilzunehmen.

Von dieser Leistung ist Dr. Thomas Wessinghage, Ärztlicher Direktor der Reha-Klinik Damp, überzeugt. Sieben Laufanfänger hat er bis zum New-York-Marathon betreut. Aber nicht jeder, der sich bewegen möchte, muss auch für den Marathon trainieren. Wer sich entscheidet, etwas für die Ausdauer zu tun, bringt sich gesundheitlich ein ganzes Stück nach vorn. Herz-Kreislauf-Training arbeitet nachweislich gegen Zivilisationskrankheiten, die aus Bewegungsmangel resultieren, an. "Es werden immer wieder neue Effekte entdeckt, die auf regelmäßige Bewegungsprogramme zurückzuführen sind", erläutert der Arzt. Wer sich entschließt, sich regelmäßig zu bewegen, kann langfristig positive körperliche Veränderungen feststellen.

Der Körper registriert die Belastung und gibt biologische Reizantworten. Er passt sich wiederholter Belastung mit Strukturveränderungen an. Dazu gehört, dass der Energieverbrauch effektiver geregelt wird, Fett als Energieträger wird schneller abgerufen. Der Herzmuskel passt sich an, er wird größer, weil er mehr pumpen muss. Ein starker Herzmuskel wiederum muss weniger häufig pumpen, da das Schlagvolumen ansteigt. Die Pulsfrequenz im Ruhezustand und bei Belastung sinkt. Der Gasaustausch in den Zellen wird optimiert, die Zahl der roten Blutkörperchen und die Sauerstofftransportfähigkeit nehmen zu. "Beim Sauerstofftransport ist es wie beim Transport von Bewohnern südlich des Elbtunnels nach Norden. Wenn nur eine begrenzte Zahl von Transportmitteln fahren kann, kommen auch weniger Passagiere an. So ist es auch beim Sauerstofftransport zur Muskelzelle. Ausdauertraining bewirkt, dass neue kleinste Blutgefäße angelegt werden, die zu einem verbesserten Sauerstofftransport führen, wie eine neue Elbtunnel-Röhre zu einem höheren Verkehrsfluss. Die Wege zur Muskelzelle werden kürzer", erläutert der Sportmediziner anschaulich. Weitere positive Reaktionen des Körpers auf ausdauernde Bewegung sind Senkung des Blutdruckes und Stärkung des Immunsystems. Die gesamte Regulationsfähigkeit des Körpers wird besser, stabiler.

"Ein Training ist allerdings nur förderlich, wenn der Trainingsreiz im richtigen Bereich liegt", so Wessinghage, "einen guten Bereich zu finden ist die Kunst des Trainings." Die vielen bekannte Formel "180 minus Lebensalter" trifft nur bei zirka 50 Prozent aller Menschen den optimalen Trainingsbereich. "Ein Pulsmessgerät ist nur genau, wenn es auf den jeweiligen Träger justiert wurde", gibt Wessinghage den Tipp, falls so ein Gerät angeschafft werden soll. Anfänger sollten in der Woche dreimal je 40 Minuten Bewegung einplanen: Laufen, Walken, Skaten oder Schwimmen sind geeignet. "Wichtig ist, sich nicht zu überfordern. Viele Sportler sind am Anfang viel zu schnell, vergessen das Erwärmen und Dehnübungen am Ende, gönnen sich keine Pause", so der ehemalige Leistungssportler. Der Europameister über 5000 Meter (1982) hält immer noch die aktuellen deutschen Rekorde über 1500 Meter und 2000 Meter. Wer dreimal in der Woche das Bewegungsprogramm gut durchhalten kann, sollte die Trainingseinheiten auf fünfmal die Woche steigern, die Intensität und Strecke regeln sich dabei meistens selbst, aber "Bewegung soll immer Spaß machen", betont der Mediziner. Spaß ist ein wichtiger Motivationsfaktor. Wer sich regelmäßig bewegt, lernt seinen Körper besser kennen, kann den Rahmenplan für sein Training selbst variieren. "Wer einmal das gestellte Ziel nicht erreicht, muss nicht unzufrieden sein, je nach Tagesform darf man durchaus auch mal länger oder kürzer als geplant laufen", erläutert Dr. Thomas Wessinghage. Es empfiehlt sich, schriftlich festzuhalten, welches Bewegungsprogramm absolviert wurde, so können Ziele besser nachvollzogen werden, erkennt man, was man geleistet hat. Zwischenziele, wie zum Beispiel die Teilnahme an Seminaren oder Laufwettbewerben, können ein zusätzlicher Anreiz sein.

"Kraft ist ein Faktor, den wir brauchen, um den Körper beim Balanceakt Laufen mit seiner Flug- und Landephase ausreichend zu stabilisieren. Gegen Fehlbelastungen kann sich zusätzliches Krafttraining positiv auswirken", so der Tipp des Experten. Hobbysportler sollten je nach Übungsform mit 15 bis 40 Wiederholungen arbeiten. Das Fitnessstudio ist eine Alternative, aber "in der Natur ist der zu erbringende Kraftaufwand ein wenig höher als auf Geräten im Studio", so der Mediziner. "Der Mensch ist zum Laufen geeignet. Die technischen Fortschritte machen jedoch eigene Bewegung überflüssig. Wir sollten Altes wieder neu entdecken", bemerkt Dr. Thomas Wessinghage.

Weitere Informationen :

"Von 0 auf 42, 7 Nichtläufer auf

ihrem Weg zum New York Marathon",

(mit Trainingsplan), Dr. Thomas

Wessinghage, ISBN 3-930723-06-9,

14,90 Euro.