Das Taj Mahal in Agra, Namensgeber für das von islamistischem Terror betroffene Hotel in Bombay, kann als Symbol für die verwirrende...

Das Taj Mahal in Agra, Namensgeber für das von islamistischem Terror betroffene Hotel in Bombay, kann als Symbol für die verwirrende Vielschichtigkeit Indiens gelten. Die aus muslimischer Mogul-Zeit stammende "Träne auf der Wange der Zeit" ist eines der anmutigsten Bauwerke der Welt, von fast schwereloser Architektur - und doch ein Grabmal, umweht von düsterer Tragik.

Indien lebt in mehreren Zeitaltern zugleich; in Bangalore entwickeln selbstbewusste junge Frauen Software, während es in Rajasthan noch immer vereinzelt zu Witwenverbrennungen kommt.

Indien ist Nuklearmacht und Armenhaus, die Kraftlinien sozialer, kultureller und religiöser Konflikte überlagern sich und schlagen Zündfunken. Die unglücklich verlaufene Teilung des Subkontinents 1947 schuf einen Dauerkonflikt zwischen dem muslimischen Pakistan und dem mehrheitlich hinduistischen Indien. Und in der pakistanischen Terror-Enklave Wasiristan sitzt, gefördert wohl von Teilen des Geheimdienstes, Osama Bin Ladens globalisiertes Terrorunternehmen al-Qaida wie ein bösartiges Geschwür, dessen Metastasen allmählich auch in die indische Gesellschaft eindringen. Ein indisch-muslimischer Terrorismus entsteht, der den Konflikt anheizt. In Islamabad und Delhi weiß man aber: Ein weiterer Waffengang könnte die nukleare Apokalypse auslösen. Deshalb läuft ein Friedensprozess, und es mag nicht zuletzt das Kalkül der Terroristen gewesen sein, diese Annäherung zu torpedieren. Ob in Kaschmir, Afghanistan oder dem Nahen Osten: Jeder Kompromiss, jede friedliche Einigung entzieht Radikalen die Existenzgrundlage. 150 Millionen Muslime leben in Indien - ein reiches Reservoir an Heiligen Kriegern, sofern es Delhi nicht gelingt, die mit schweren Diskriminierungsvorwürfen befeuerte Zwietracht endlich zu entschärfen.

Die Terrorwelle von Bombay zeigt zudem, dass die regionale Großmacht Indien, einer der Tragpfeiler einer künftigen multipolaren Weltordnung, keineswegs eine Insel der Stabilität ist. Das ist alarmierend - hofft der Westen doch, dass Indien eines Tages ein pluralistisches Gegengewicht zu den autoritären Regimen in Peking und Moskau bildet.