Lungenseuche weitet sich in China “zur Katastrophe“ aus. WHO plant Expertenkonferenz.

Peking/Genf. Die gefährliche Lungenseuche SARS (Schweres akutes Atemwegssyndrom) breitet sich in China und Kanada weiter aus. Innerhalb eines Tages kletterte die Anzahl der Erkrankten in China um 157 auf 2158. Die Todesfälle nahmen um fünf auf 97 zu. Das teilte das Gesundheitsministerium in Peking mit und sprach von "einer Katastrophe". Insbesondere in der Hauptstadt sei die Lungenkrankheit kaum noch zu stoppen. "Ich glaube, uns steht ein massiver Ausbruch von SARS bevor", sagte der WHO-Vertreter für China, Henk Bekedam. Besonders in den ärmeren Provinzen werde es schwer werden, die Krankheit einzudämmen. Ministerpräsident Wen Jiaboa hatte eingeräumt, wegen der schlechten Gesundheitsversorgung in den ländlichen Regionen könne SARS sich dort mit großer Geschwindigkeit ausbreiten. Nach den bislang vorliegenden Zahlen sind weltweit in 25 Ländern mehr als 4200 Patienten registriert. 236 Menschen sind inzwischen gestorben. Die WHO plant am 17. und 18. Juni eine internationale Expertenkonferenz in Genf. Dort sollen Strategien zur Eindämmung der Krankheit und Forschungsergebnisse diskutiert werden. In Kanada sind inzwischen mehrere Tausend Bürger unter Quarantäne gestellt worden. Mit 316 bekannten SARS-Fällen und 14 Todesopfern ist Kanada das am härtesten betroffene Land außerhalb Asiens. Dort taucht das Coronavirus trotz Quarantäne und striktester Maßnahmen täglich an neuen Orten auf. So brachte eine infizierte Krankenschwester Fahrgäste eines Nahverkehrszuges in Toronto in Gefahr, mit denen sie im Abteil gesessen hatte. In Singapur kündigte das Bildungsministerium an, dass vom 30. April an für drei Wochen bei allen etwa 500 000 Schülern zweimal am Tag die Temperatur gemessen werden soll. Die Schüler sollen selbst darüber Buch führen. Auch die Kindergärten seien angewiesen worden, wegen SARS tätig zu werden, hieß es weiter. Hier gab es bisher 14 Todesfälle. US-Popdiva Mariah Carey verschob aus Angst vor SARS ein für Juni geplantes Konzert in Singapur. Zuvor hatte sie Auftritte in China und Hongkong abgesagt. In Hongkong erlagen inzwischen 99 Menschen der Lungenseuche. Dort gibt es allerdings erste Anzeichen für ein Abflauen der Epidemie. Japans größte Fluggesellschaft Japan Airlines wird im Mai die Zahl der Flüge zwischen Tokio und Hongkong um die Hälfte auf sieben pro Woche reduzieren. Das belgische Gesundheitsministerium riet wegen SARS von Reisen nach ganz China ab. Auch die kanadische Stadt Toronto wurde in die Liste aufgenommen. Die Warnung gilt für vermeidbare Reisen und erstreckt sich auch auf Hongkong, Singapur sowie Vietnams Hauptstadt Hanoi. Das deutsche Auswärte Amt warnt schon seit Wochen vor Reisen nach China. Ein SARS-Verdachtsfall bei einem 45-jährigen Patienten im Klinikum Augsburg hat sich unterdessen nicht bestätigt.