Seefeld: Topadresse für den Langlauf. Tirol bedient eine steigende Nachfrage und trumpft mit Hunderten Kilometer gespurter Bahnen.

Weit schnellen die Arme nach vorn. Kraftvoll werden die Stöcke in den Schnee gerammt. Mit mächtigen Schritten springt Ricco Groß förmlich den Anstieg hoch, um für die Abfahrt sofort wieder in die Hocke abzutauchen. Neunmal holte sich der 35 Jahre alte Biathlet aus dem Erzgebirge bereits den Weltmeistertitel. Auch in diesem Winter wollen Groß und seine Staffelkollegen Michael Greis, Alexander Wolf und Sven Fischer in der Weltelite auf den ersten Plätzen mitspurten. Und Erfolg steckt an. "Stimmt schon", schmunzelt Martin Ripfl, "die nordischen Sportarten erleben einen Aufschwung. Da kommt bei uns mancher Gast und sagt: Ich möchte auch wie Ricco Groß oder Uschi Disl durch die Loipen ziehen."

Der diplomierte Sportwissenschaftler aus Leutasch bei Seefeld, der hier die Bergschule Tirol Alpin betreibt, registriert den Aufschwung mit Genugtuung. "Endlich hat das Langlaufen das Image vom Seniorensport hinter sich gelassen." Und das nicht nur wegen der Erfolge der Spitzenathleten. "Der nordische Wintersport ist schwer trendy geworden" - für Ripfl gibt es da überhaupt keinen Zweifel. "Da färbt der sommerliche Lauf-Boom ab, natürlich auch die Fitnesswelle." Schließlich gebe es keine Sportart, die in vergleichbarem Maß ein Kraft-Ausdauer-Training darstellt und die Herzaktivität stärkt. "Auch der ganze Muskelapparat wird perfekt und gleichmäßig bewegt", lobt der Langlaufexperte.

In Tirol hat man die steigende Nachfrage erkannt - und setzt auf Qualität. 29 Orte zwischen Kössen im Osten und Reutte im Westen haben sich der Kooperation "Langlaufspezialisten" angeschlossen. Ausgezeichnet mit dem Tiroler Loipensiegel bieten sie eine streng kontrollierte Vielfalt an Langlaufstrecken aller Schwierigkeitsgrade. Mindestens drei doppelspurige Loipen werden für wenigstens 80 Schneetage im Jahr perfekt präpariert und markiert.

Die unumstrittene Nummer eins ist Seefeld. 262 Loipenkilometer ziehen sich über das 1200 Meter hoch gelegene Plateau, welches eiszeitliche Gletscher vor Jahrmillionen am Fuß des Wettersteinmassivs hoch über dem Inntal in die Landschaft gefräst haben. "Ein so ideales Gelände für Langläufer findet man in den Alpen nur noch selten", sagt Martin Ripfl und denkt dabei an Ramsau am Dachstein, die Seiser Alm in Südtirol oder Silvaplana im Schweizer Engadin. Auch die Tester des Deutschen Skiverbands lobten jüngst das Angebot in Seefeld in den Langlauf-Himmel. Im Januar wurde die Region zum besten Gebiet von weltweit 232 Orten gekürt.

In den neun Loipen zwischen Reith, Mösern, Buchen, Leutasch, Scharnitz und Seefeld, von denen zehn Kilometer bei Schneemangel auch maschinell beschneit werden können, findet jeder Langläufer sein Terrain. Ambitionierte Cracks ziehen auf den Weltcup- und Olympiastrecken (86,5 Kilometer) durch die Landschaft. Die Genußläufer drehen mal im Skating-, mal im klassischen Stil ihre Runden in den roten Loipen (56 Kilometer) rund um den Gschwandtkopf. Und wer es gemütlich angehen will und sich am Traumpanorama der scharf gezackten Gipfellinie von Stubaier und Ötztaler Alpen nicht sattsehen kann, ist in den sanften Routen (126 Kilometer) rund um Weidach und am Geigenbühel bestens aufgehoben. Wem der Tag nicht reicht, der kann sich jetzt auch nach Sonneruntergang auspowern. Auf der neuen Nachtloipe bei der Casino-Arena wird es nie finster.

Ripfls Geheimtip ist die Loipe im Muggenmoos. "Hier am Fuß der Hohen Munde genieße ich die Landschaft am intensivsten. Dazu verlocken noch die urige Muggenmoosalm, die Lottenseehütte und die gemütliche Ropferstub'n zur Einkehr." Eine Steigerung verspricht nur die unberührte Stille des Gaistals. Hier kann sich der Nordic-Sportler den Winter auf ungespurten Routen über Forstwege und Almböden erobern. Wer die Loipenwoche mit einem Pistentag auflockern will, findet zwei kleinere Skigebiete. Auf dem 1500 Meter hohen Gschwandtkopf tummeln sich die Anfänger. Anspruchsvoller sind die Abfahrten drüben im Gebiet Roßhütte zwischen der Seefelder Spitze und dem Härmelekopf.

Nach einem kräftezehrenden Ski-Tag schreit jeder Muskel nach Entspannung. Entsprechend ausgeprägt ist das Wellnessangebot in Seefeld. Doch wird der schwammige Begriff Wellness gern überstrapaziert. Sauna, Dampfbad, Whirlpool sorgen vielleicht für Wohlbefinden, "der echte Schulterschluß zwischen Tourismus und dem Gesundheitssektor fehlt dagegen meist noch", besagt eine Studie der Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin.

In Seefeld gibt es da immerhin erste Ansätze. "Wir haben uns auf die Thalasso-Therapie spezialisiert", erzählt Christine Stelzer vom Hotel Alpenkönig. Der ehemalige Robinson-Club hat dafür eine eigene Abteilung eingerichtet. "Die Anwendungen von Meerwasser, Salz und Algen in Form von Bädern und Fangopackungen wirken intensiv auf den Bewegungsapparat", sagt Stelzer, "gut also auch für Langläufer." Denn wer fit in die Loipe steigt, kann Ricco Groß und seinen Kollegen schließlich am besten nacheifern.