Kulturhauptstadt 2004 - das bewirkte ein italienisches Wunder. Liguriens Metropole bietet dazu großartige Kulturschätze auf.

Genua. Genua gehört zu den am meisten verkannten Städten Italiens. Das soll sich nun endlich ändern. "La Superba", die Stolze, wirft sich in Schale. Die 700 000 Einwohner fühlen sich seit Monaten durch Baustellen und eingerüstete Fassaden genervt. Aber dafür darf ihre Heimat eine Diva sein wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Denn die Hafenstadt ist - neben Lille - 2004 Kulturhauptstadt Europas.

Und so putzt sich Liguriens Hauptstadt für den Touristen-Ansturm gewaltig heraus. Zum Kolumbus-Jahr 1992 hat die Heimatstadt des Amerika-Entdeckers das schon einmal versucht. Doch die Kolumbus-Fete geriet zum Besucher-Flop. Profitiert hat Genua dennoch. Denn zu Ehren des "Cristoforo Colombo", dessen Geburtshaus gleich neben dem Stadttor Porta Soprana steht, wurde vor allem dem alten Hafen wieder Leben eingehaucht.

Der Porto Antico oder Porto Vecchio ist heute Kultur- und Unterhaltungszentrum mit renovierten Lagerhäusern und einem der besten Aquarien der Welt. Als Blickfang dient der vom Genueser Stararchitekten Renzo Piano entworfene "Bigo", ein stilisierter Verladekran mit Panorama-Aufzug. In einer gläsernen Kabine emporschwebend, schaut man weit über Hafen und Stadt.

Lange herrschte Ödnis am alten Hafen. Eine Schnellstraße auf Stelzen hatte ihn auch noch rabiat von der Altstadt getrennt. Haarscharf läuft sie vorbei an der schönen Fresken-Fassade des Palazzo San Giorgio, der einmal Sitz der ersten Großbank der Welt war. Wo einst die Amerika-Auswanderer an Bord gingen und die Handelsschiffe der reichen Seerepublik Genua Waren aus aller Welt anlandeten, war nichts mehr geblieben vom alten Glanz. Der Hafen mit dem Wahrzeichen "Lanterna" (76 Meter hoher Leuchtturm) hatte - auch infolge vieler Streiks - an Bedeutung verloren. An Genuas goldene Zeiten sollen nun die neuen Museen für Meer und Seeschifffahrt, bescheiden als "größtes Museum der Welt" angekündigt, und eine Ausstellung über den Mythos der Überseedampfer erinnern.

Ein noch größeres Sorgenkind war die "größte Altstadt Europas". Selbst die Einheimischen wagten sich abends nicht hinein. Sie war finster und verrufen, ein Slum, eigentlich reif für die Abrissbirne. Die Rettung ist ein italienisches Wunder. Heute lebt die Altstadt mit ihren engen, "Carruggi" genannten Gassen wieder. Sanierungsbedürftig ist noch vieles, aber es bummelt sich herrlich durch das Straßengewirr mit winzigen Plätzen, vielen kleinen Läden und Trattorien. Wer sich verläuft, braucht nur eines zu beachten: Bergab gehts immer zum alten Hafen. Von dort kann man sich dann wieder neu ins Labyrinth aus 40 Kilometern verwinkelter Gassen vorarbeiten, zum Beispiel zur Piazza San Matteo, einst Stadtquartier der mächtigen Doria-Familie mit mehreren Palästen und der Privatkirche des Adelsclans. Oder zum Dom San Lorenzo mit weiß-schwarzer Marmor-Fassade. Das "Centro Storico" steht längst als ein mittelalterliches Manhattan unter Denkmalschutz. Die Häuser wurden seit dem 12. Jahrhundert immer wieder aufgestockt, wuchsen bis zu acht Stockwerke hoch.

Oberhalb dieser frühen Wolkenkratzer entstand im 16. Jahrhundert ein Renaissance-Viertel, das sich 2004 wieder in alter Pracht präsentieren wird: die Via Garibaldi mit einer langen Reihe frisch restaurierter Paläste. Der Genuas Geschicke besonders erfolgreich bestimmende Andrea Doria baute sich dort als erster einen Palast und löste eine Kettenreaktion des Neides aus. Die Adelsfamilien der Spinola, Grimaldi oder der Fiesci, deren "Verschwörung" von 1547 Schiller einen Dramenstoff lieferte, rangelten stets wie Mini-Staaten um die Macht in Genua. Und nun versuchten sie, einander durch neue Prunkbauten zu übertrumpfen.

So entwickelte sich in nur 25 Jahren Bauzeit die Via Garibaldi zur Goldmeile des Genueser Adels. Der Maler Rubens, der sieben Jahre in Genua lebte, nannte sie die schönste Straße der Welt. Heute ist die Palaststraße Fußgängerzone und Genuas feinste Einkaufsadresse. Und ein Hort der Kunst, denn die reichen Genuesen, lange ärgste Rivalen der Seerepublik Venedig, waren auch eifrige Sammler. Ihre Schätze findet man zum Teil in Palästen der Via Garibaldi, die ab April dieses Jahres zu einem Museums-Ensemble verbunden sein werden: Palazzo Rosso, Palazzo Bianco und Palazzo Tursi.

Dass Genua als Stadt der Künste bei Italien-Reisenden völlig zu Unrecht nicht besonders hoch im Kurs steht, soll vor allem eine große Ausstellung im Palazzo Ducale, dem einstigen Dogenpalast und heutigen Kulturzentrum, beweisen: "Die Zeit des Rubens: Genueser Paläste, Auftraggeber und Kunstsammler" (20. März bis 11. Juli). Gezeigt werden Werke des 16. und 17. Jahrhunderts, unter anderem von Rubens, van Dyck, Tintoretto, Caravaggio, Tizian und Veronese. Genua spielte besonders im 17. Jahrhundert in der Malerei eine prägende Rolle

Auch als Musikstadt kann sich Genua sehen und hören lassen. Nahe dem Palazzo Ducale steht an der weiten Piazza de Ferrari, dem idealen Ausgangspunkt für Altstadt-Spaziergänge, ein Prachtbau der Gegenwart: Das 1991 wieder eröffnete Teatro Carlo Felice gilt als wichtigste Oper Italiens nach der Mailänder Scala. Musikgeschichte geschrieben hat ein geradezu legendärer Sohn der Stadt: Der "Teufelsgeiger" Niccolo Paganini. Er hinterließ Genua sein Lieblingsinstrument, eine Guarneri-Violine. Und natürlich gehört zum Kulturhauptstadt-Jahr auch ein Paganini-Festival.