Mit ihren 14 und 15 Jahren zählen die Jungs aus dem Süden Stormarns zu den jüngsten Teilnehmern. Sie schreiben alle Lieder selbst - mit deutschen Texten.

Reinbek/Glinde. "Ein Leben ohne Musik wäre ein Irrtum." Dass er mit diesem Satz den Philosophen Friedrich Nietzsche zitiert, ist Ben Wanjura vermutlich nicht bewusst. Vielleicht weiß er noch nicht mal, wer Nietzsche ist. Weil das wohl die wenigsten 14-Jährigen wissen. Aber von den Worten selbst ist Ben zutiefst überzeugt. "Es wäre einfach total langweilig ohne Musik", sagt der Schüler. Schon allein der Gedanke bringt ihn zum Schaudern. Musik ist Bens große Leidenschaft. Und die teilt er am liebsten mit seinen drei Bandkollegen von "Dezibel 45".

Seit gut zwei Jahren spielen die vier Jungs ihre Alternative- und Rocksongs. "Inzwischen haben wir mehr als 40 eigene Lieder", sagt Finn Juhl, der in Glinde zur Schule geht. Der 15 Jahre alte Sänger der Gruppe schreibt die Texte für "Dezibel 45". Deutsche Texte. "Englisch ist Mainstream. Das machen alle", sagt Finn. Der Junge in den ausgewaschenen Jeans klingt dabei nicht überheblich. Vielmehr scheint er betonen zu wollen, dass die Band dazu steht, in ihrer Muttersprache zu singen. Die Ideen zu den Liedern kämen ganz spontan. "Neulich ist mir im Unterricht ein Song eingefallen", sagt Finn. "Ich habe darüber nachgedacht, wie satt ich den Winter habe, und dabei ist mir ein hübsches kalifornisches Mädchen in den Sinn gekommen." Und von ihr handelt der neue Song. Die Melodie dazu habe er in der Pause in sein Handy eingesummt. "Bei unseren Proben runden wir die neuen Lieder gemeinsam ab", sagt Fynn Freund (14), der Schlagzeuger der Band. Mit Erfolg. "Für manche Gigs haben wir sogar schon Geld bekommen." Das sei schon ein cooles Gefühl, sagt Fynn und grinst unter seinem blonden Pony hervor.

Ihren bisher größten Auftritt hatten "Dezibel 45" am 28. Januar im Hamburger Logo. Beim Emergenza-Nachwuchsfestival, bei dem die vier Jungs es in die zweite Runde geschafft haben. "Das war ein Spitzen-Gig", sagt Fynn - so als schwärme er von einem gelungenen Treffen mit einem Mädchen.

."Natürlich gibt es Bands, die besser sind als wir - die wird es immer geben", sagt Ben. "Aber wir gehen extrem ab auf der Bühne. Leben von der Show: Wir springen, laufen, hüpfen und binden das Publikum mit ein." Und die Konzertbesucher lieben die Gruppe dafür. Das beweisen die Plakate, die die (weiblichen) Fans bei Auftritten hochhalten. Eins davon ziert die Wand des Kellerraums, in dem das Quartett probt. "Dezibel" steht in farbigen Druckbuchstaben zwischen vielen kleinen roten Herzchen auf dem Transparent. Daneben sind Sprüche zu lesen wie "Haben Euch ganz doll lieb" und "Ihr seid die beste Band". "Wenn die Mädels bei unseren Auftritten kreischen, gibt uns das schon einen Kick", sagt Ben. So wie die Leute, die vor der Bühne Pogo tanzen. "Aber das Kreischen ist noch ein bisschen geiler."

Zu einem ganz besonderen Song der Vier hat aber noch nie jemand getanzt. Und auch euphorischen Applaus haben sie für das Lied noch nie bekommen - weil "Dezibel 45" es noch nie live vor Publikum gespielt hat. "Es heißt 'Ohne Dich'", sagt Joscha Kaiser, der Bassist der Gruppe. Der 14-Jährige, der in Reinbek zur Schule geht, lächelt und scheint mit seinen Gedanken für einen Augenblick ganz woanders zu sein. Bei dem Menschen, für den er das Lied geschrieben hat: seinen Vater. "Er ist vor einem dreiviertel Jahr gestorben", sagt Joscha, "er hat mir eine zwölfseitige Gitarre vererbt. Damit haben wir den Song aufgenommen."

Traurig mache es ihn nicht, wenn er "Ohne Dich" singt. "Im Gegenteil: Es macht mich glücklich. Und mein Vater wäre bestimmt sehr stolz auf mich." Die Musik helfe ihm, seine Gefühle auszudrücken. Vielleicht bedeute ihm die Musik deshalb auch alles. Wie Joscha das Wort "alles" betont, lässt seinen Gegenüber unmissverständlich wissen, dass er es ernst meint. Ebenso wie seine Mitspieler. Seit mehr als zwei Jahren gibt es "Dezibel 45" nun. "Erst wollten wir uns nur Dezibel nennen", erinnert sich Ben. Aber in Berlin habe es bereits eine Gruppe mit dem Namen gegeben. Da sie vier Musiker seien, hätten sie kurz über "Dezibel 4" nachgedacht. "Aber das klingt wie die Boygroup US5", sagt Ben und kichert mit seinen Kumpels. Letztlich hätten sie einfach das Alter von jedem Mitglied zum Zeitpunkt der Bandgründung addiert. "Also dreimal elf und einmal zwölf. Macht zusammen 45."

Und die Teenager haben noch ganz große Träume. "Ein Musikvideo von uns auf MTV zu sehen - das ist ein Traum von mir", sagt Finn. Die anderen nicken eifrig. "Eben extrem bekannt zu werden - so wie Green Day. Vor einem riesigen Publikum aufzutreten, das all unsere Texte kennt - das wünschen wir uns", sagt Fynn, der mit Ben nebenbei auch noch Querflöte im Schulorchester des Gymnasiums Wentorf spielt ("Verdi kann auch rocken"). Und ein Plattenvertrag stehe natürlich auch ganz oben auf der Wunschliste.

Wie weit würden die Vier gehen, damit ihre Träume Wirklichkeit werden? "Die Schule würden wir dafür nicht schmeißen", sagt Ben und klingt dabei erstaunlich erwachsen. Auch jahrelang auf Krampf zu versuchen, bekannt zu werden, käme für sie nicht in Frage. "Sonst landen wir am Ende noch auf der Straße", sagt Ben. "Aber wir sind ja noch jung. Haben noch Zeit, berühmt zu werden." Und die Chancen stünden nicht schlecht. "Wir können jetzt schon mit vielen Bands mithalten, die viel älter sind als wir." Auch bei MusicStorm, Stormarns erstem Musikwettbewerb, zählen "Dezibel 45" mit ihren 14 und 15 Jahren zu den jüngsten Teilnehmern.

"Mein Vater hat mir einen Zeitungsartikel über MusicStorm gezeigt", erinnert sich Fynn, "und da dachten wir uns: Wir können es ja mal versuchen." Als sie gehört hätten, dass sie in der zweiten Runde sind, seien sie völlig aus dem Häuschen gewesen. "Jetzt hoffen wir, dass wir es unter die letzten Sechs schaffen und beim Open-Air-Konzert am Ahrensburger Schloss mit dabei sind", sagt Ben, "das wäre echt cool." Das große Finale steigt am 3. Juli.

Und welche Chancen rechnet er sich aus, dass "Dezibel 45" auf dem ersten Platz landet? "Wir versuchen, uns nicht allzu große Hoffnungen zu machen." Sonst sei die Enttäuschung hinterher umso größer. Es klingt wie ein Versprechen, als Ben sagt: "Wir werden unser Bestes geben. Und wollen vor allem eins haben: Spaß!"

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