Das erste jahr der Oberschule geht zu Ende. Fredenbecks Rektorin Tanja Bovenschulte spricht von vielen Vorteilen der neuen Schulform.

Fredenbeck. Tanja Bovenschulte, 42, ist zufrieden. Ihr erstes Jahr als Schulleiterin der Geestlandschule Fredenbeck neigt sich dem Ende zu. Dieses Jahr war nicht nur für sie sondern auch für ihre Kollegen besonders. Zu Beginn dieses Schuljahres wurde in Niedersachsen die Oberschule als neue Schulform eingerichtet. Die Geestlandschule Fredenbeck ist eine von bislang acht Oberschulen im Landkreis Stade. Im Abendblatt-Gespräch blickt Fredenbecks neue Schulleiterin auf das erste Jahr der Oberschule zurück und zeigt die Stärken der neuen Schulform auf.

Die Niedersächsische Landesregierung bezeichnet die Oberschule als Erfolgsmodell. Im Landkreis Stade wurde die neue Schulform in Steinkirchen, Oldendorf, Apensen, Freiburg, Horneburg, Jork, Himmelpforten und Fredenbeck genehmigt. Mit 105 Schülern in der fünften Klasse gehört die Geestlandschule Fredenbeck zu den größten Oberschulen in Niedersachsen.

"Wir sind sehr gut gestartet", sagt Schulleiterin Bovenschulte. Zwar hätte es einige Hürden gegeben, die sie und ihre Mitarbeiter bewältigen mussten, aber "der Grundtenor ist positiv". Die wichtigste Errungenschaft der Oberschule sei ihrer Ansicht nach die Auflösung des dreigliedrigen Schulsystems. "Wir haben eine Schule für alle", sagt Bovenschulte. Genau hier liege der große Vorteil der Oberschule. "Die Stärken und Schwächen werden individuell erkannt und dementsprechend gefördert. Damit ist die Entwicklung der Schüler vielfältiger", sagt Bovenschulte.

Die Kinder sollen gefördert und gefordert werden. In diesem Zusammenhang spricht die Schulleiterin von einem "großen Umbruch" und einer "Herausforderung". Dieser Herausforderung hätten sich Schüler und alle Mitarbeiter der Geestlandschule gestellt und sie würden diese gut meistern. "Eine wichtige Frage ist dabei, wie wir den Kindern gerecht werden, denn unser Ziel ist eine kindorientierte Schule", sagt Bovenschulte.

Im Mittelpunkt stehen dabei Konzepte vom ganzheitlichen und vom kooperativen Lernen. Die Schüler beschäftigen sich zum Beispiel damit, wie man überhaupt lernt, ein weiterer Beitrag zur Individualisierung und Selbstständigkeit. Alle Kinder werden überwiegend gemeinsam unterrichtet. Dabei gibt es drei Bereiche mit unterschiedlich schweren Aufgaben. Die Kinder entscheiden selbst, auf welchem Niveau sie Aufgaben bearbeiten. Die Schüler lernen gemeinsam. Dabei sollen die leistungsstarken Schüler den schwächeren Schülern helfen. Die stärkeren Schüler profitieren dabei, indem sie das Erlernte gleich anwenden, während sie es anderen Schülern erklären.

Der Frontalunterricht wird weniger, es gibt ihn aber noch. "Wir haben eine gesunde Mischung von unterschiedlichen Unterrichtsmethoden", sagt Bovenschulte. Eine davon ist die Arbeit mit sogenannten Lerntheken. Da gibt es drei Theken mit unterschiedlich schwierigem Material. Die Schüler arbeiten selbstständig und kontrollieren sich dann auch selbst. Die Lehrer kontrollieren abschließend noch mal und stehen eher beratend zur Seite. "Die eigentliche Arbeit ist, das Material zu erstellen", sagt die Schulleiterin.

Eine weitere Methode ist die sogenannte Freiarbeit. Jeden Freitag können die Schüler für zwei Stunden selbst wählen, mit welchem von fünf Fächern sie sich beschäftigen. Vieles in der Fredenbecker Schule beruht auf Freiwilligkeit. Es gibt nur an zwei Nachmittagen Pflichtunterricht, die übrigen Nachmittage gibt es ein freiwilliges Angebot.

Das Konzept der Oberschule geht bislang auf. Bis zum vergangenen Jahr besuchten die leistungsschwächeren Kinder in der Regel die Hauptschule. Häufig wurden sie dort abgestempelt. "In vielen Hauptschulklassen sind 20 Kinder, die sich gegenseitig runterziehen. Ihr individuelles Potenzial kommt dabei nicht zum Tragen", sagt Bovenschulte. Die Schulleiterin weiß, wovon sie spricht. Bevor sie zum 1. August des vergangenen Jahres an die Fredenbecker Schule wechselte, war sie elf Jahre lang an der Hauptschule Bremervörde tätig, davon ein Jahr als kommissarische Rektorin beauftragt und vier Jahre schließlich als Rektorin.

"Ich hatte früher das Gefühl, den Kindern wird die Motivation durch den Unterricht genommen, jetzt gibt es einen absoluten Wandel", sagt Bovenschulte. Bei den Eltern scheint die neue Schulform ebenfalls anzukommen. Bei einer ersten Evaluation waren 78 Prozent weitgehend zufrieden, 19 Prozent sehr zufrieden, drei Prozent weniger zufrieden und niemand unzufrieden.

Für die Geestlandschule in Fredenbeck sei die Oberschule "eine gute Alternative". Eigentliches Ziel der Fredenbecker war eine Integrierte Gesamtschule (IGS). Doch das Vorhaben scheiterte, weil der Gesetzgeber eine Fünfzügigkeit vorschreibt, das heißt fünf Klassen pro Jahrgang. Wichtiger Unterschied zwischen IGS und Oberschule ist die Tatsache, dass die IGS-Kinder bis Klasse 10 gemeinsam unterrichtet werden. In der Oberschule wird nach Klasse 8 im Kurssystem wieder nach den Schulformen unterschieden.