4. Wochenbericht M 80/1.

N 15° 06' 00.00" / W 024° 12' 00.00". Vier Wochen waren wir mit der "Meteor" unterwegs. Heute laufen wir wieder in den Hafen ein. Noch einmal hat uns ein Brief des Historikers und Humboldt-Experten Dr. Frank Holl erreicht. Wieder sind wir verblüfft, wie exakt Alexander von Humboldt Ursachen des Klimawandels beschrieben hat. Hier der 4. Wochenbericht unseres Fahrtleiters Peter Brandt, dem die Betrachtungen Humboldts angehängt sind. Berichte aller Meteor- und Merian-Fahrten finden Sie auf der Internetseite der Leitstelle Meteor/Merian an der Uni Hamburg unter http://www.ifm.zmaw.de/leitstelle/reisen-des-fs-meteor/ .

16.11.-22.11.2009:

Nördlich des Äquators konzentrierten sich unsere Untersuchungen auf das sauerstoffarme Gebiet im tropischen Nordatlantik. Die Untersuchungen sind Bestandteil des DFG Sonderforschungsbereichs 754 "Klima-Biogeochemie Wechselwirkungen im tropischen Ozean". Im Bereich zwischen den Kapverden und etwa 5°N, in Tiefen zwischen 300 und 700m befindet sich die sogenannte Sauerstoffminimumzone. Diese Zone entsteht aufgrund geringer Sauerstoffzufuhr mit den eher schwachen Strömungen, bei gleichzeitig hohem Sauerstoffverbrauch durch den Abbau von biologischem Material, das aus der lichtdurchfluteten Schicht in die iefe sinkt.

Südlich der Sauerstoffminimumzone, in Äquatornähe, wird sauerstoffreiches Wasser mit den ostwärtigen Strömungen (siehe 3. Wochenbericht) vom westlichen Rand des Atlantiks in den Ostatlantik transportiert. Wie das sauerstoffreiche Wasser dann tatsächlich von etwa 2-3°N in den Bereich der Sauerstoffminimumzone gelangt, ist Bestandteil der momentanen Untersuchungen. Dabei werden verschiedene Beobachtungssysteme eingesetzt. Zum einen ist das die CTD (Salzgehalt, Temperatur, Tiefe) Sonde mit dem Kranzwasserschöpfer an Bord von Meteor. Sie liefert hochgenaue Messungen an Stationen im Abstand von etwa 50 km und erlaubt gleichzeitig eine Untersuchung der dabei gewonnenen Wasserproben hinsichtlich verschiedener biologischer und chemischer Parameter. Der 23°W Meridian ist dabei ein bevorzugter Wiederholungsschnitt, der auch von Forschungsschiffen aus den USA und Frankreich angefahren und vermessen wird. Im Rahmen der sehr guten internationalen Kooperation im tropischen Atlantik steht somit ein sehr detaillierter Datensatz zur Verfügung, mit dem die Abnahme der Sauerstoffkonzentration in den letzten Jahren verfolgt werden konnte. Ob sich dieser Abwärtstrend so fortsetzt, kann erst nach Kalibrierung der gewonnenen Daten genau gesagt werden.

Neben der mittleren Sauerstoffkonzentration in großen Meeresgebieten, die entscheidend für die dort lebenden Organsimen aber auch für verschieden chemische Prozesse ist, interessiert uns auch die Variabilität des Sauerstoffs auf sehr viel kleineren Skalen. Um die Sauerstoffvariabilität im Bereich von wenigen Kilometern auflösen zu können, werden z.B. Gleiter eingesetzt. Sie erreichen einen typischen Abstand zwischen 2 Profilen von 4-5 km und lösen damit die den Ozean durchziehende Filamente aus sauerstoffreichem Wasser auf. Neben Gleitermessungen kann man solche Filamente auch sehr gut mit verankerten Instrumenten vermessen. Dazu wurden im März 2008 bei 5°N und 8°N zwei Verankerungen ausgebracht, die mit modernsten CTD Profilern ausgerüstet waren.

Solche Profiler fahren motorgetrieben den Verankerungsdraht herauf und herunter und messen dabei Salzgehalt, Temperatur, Tiefe, Sauerstoff und Strömungsgeschwindigkeit. Leider haben wir unsere Rechnung ohne die hiesigen Fischer gemacht. Ihre Langleinen verfingen sich in den Verankerungen und verhinderten schon nach kurzer Zeit (4 Monate bzw. wenige Tage) ein weiteres Auf- und Abfahren der Profiler. Dass es so kommen würde, befürchteten wir schon bei der Auslegung der Profiler. Während der Reise im März 2008 hatten wir bei der Aufnahme einer Verankerung bereits etliche Langleinen vorgefunden. Damals bestand allerdings keine Möglichkeit die Instrumente zu ersetzen. In der Zwischenzeit haben wir das Design der Verankerung vollständig umgestellt und messen jetzt mit am IFM-GEOMAR entwickelten Sauerstoffsonden, mit verankerten CTDs und mit Strömungsmessern – alle in Käfigen montiert und somit gut geschützt vor Langleinen. Die Sauerstoffsonden wurden unter anderem auch schon auf der Verankerung bei 2°N eingesetzt und zeigten dort eine überraschend hohe Variabilität der Sauerstoffverteilung.

Eine weitere Möglichkeit der Sauerstoffzufuhr zur Sauerstoffminimumzone ist, neben der horizontalen Sauerstoffzufuhr, die turbulente oder vertikale Vermischung. Eigens zur Untersuchung der vertikalen Vermischung wurde im Rahmen des SFB754 im April 2008 während einer Maria S. Merian Reise und Leitung von Prof. Dr. Martin Visbeck bei 8°N, 23°W ein Spurenstoff in etwa 300m Tiefe ausgebracht, dessen Vermischung – horizontal und vertikal – seitdem verfolgt wird. An diesem Ort haben wir während unserer Reise ein intensives Beobachtungsprogramm durchgeführt. Neben der Verankerungsaufnahme und anschließender Auslegung stand wieder der Einsatz von unserem Gleiter mit Mikrostruktursonde im Huckepack auf dem Programm.

Die Turbulenzmessungen vom Gleiter dienen als Vergleichsmessungen zur Spurenstoffanalyse, um zusätzlich Informationen über die vertikale Verteilung der Stärke der Vermischung als auch über die zur Vermischung führenden Prozesse zu gewinnen. Während unserer Arbeiten bei 8°N konnten wir auch schon einmal ein Tiefenprofil des ausgebrachten Spurenstoffs vermessen. Die eigentliche großräumige Vermessung des Spurenstoffs steht dann auf dem Programm des nächsten Fahrtabschnitts unter Leitung von Prof. Dr. Doug Wallace.

Für uns ist die Forschungsfahrt mit dem Forschungsschiff Meteor fast abgeschlossen und wir können auf eine intensive, arbeitsreiche und unter dem Strich sehr erfolgreiche Reise zurückblicken. Garant für das Gelingen waren auch Kompetenz und Hilfsbereitschaft von Kapitän Walter Baschek und seiner Mannschaft - allen einen herzlichen Dank dafür. Am Montag werden wir in Mindelo einlaufen und für die meisten von uns geht es dann schon am nächsten Tag zurück nach Hause.

Viele Grüße aus den Tropen,
Peter Brandt und die Fahrtteilnehmer der Reise M80/1

Anhang: Historiker Dr. Frank Holl hat unserem Mitfahrer Holger von Neuhoff einen weiteren Brief zum Wirken Alexander von Humboldts geschickt, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen.

Lieber Holger,

es hat mich sehr gefreut, dass Alexander von Humboldts Beschreibung vom nächtlichen Meer am Äquator so großen Anklang fand bei Euch. Wie verblüffend nahe er uns mit seiner Sicht der Welt ist, zeigen auch seine Forschungen zum Klimawandel. Kaum jemand weiß, dass er bereits im Jahr 1843 drei elementare anthropogene Klimafaktoren vollkommen korrekt beschrieben hat. In seinem Buch Central-Asien − Untersuchungen über die Gebirgsketten und die vergleichende Klimatologie findet sich der Satz: "Das Klima der Kontinente und die Wärmeabnahme in der Luft [werden beeinflusst durch die Veränderungen], welche der Mensch auf der Oberfläche des Festlands durch Fällen der Wälder, durch die Veränderung in der Verteilung der Gewässer und durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie hervorbringt."

Bereits auf seiner amerikanischen Reise (1799 – 1804) befasste er sich intensiv mit der Klimawirkung des Waldes. In sein Reisetagebuch notierte er im Jahr 1800 während seiner Expedition durch Venezuela: "Unbegreiflich, dass man im heißen, im Winter wasserarmen Amerika so wütig als in Franken abholzt und Holz- und Wassermangel zugleich erregt." Er sprach vom "Menschenunfug […], der die Naturordnung stört", und kritisierte später in Mexiko die Landschaftszerstörung durch Entwässerungskanäle: "Die Spanier haben das Wasser als ihren Feind behandelt. […] Der Wassermangel macht das Tal von Mexiko unfruchtbar, ungesund, das Salz nimmt zu, die Lufttrockenheit vergrößert sich." "Alles ist Wechselwirkung", schrieb er in diesem Zusammenhang in sein Tagebuch. Wie sehr Humboldt bereits damals eine Philosophie der Nachhaltigkeit forderte, zeigt seine Warnung aus dem Jahr 1820: "Fällt man die Bäume, welche Gipfel und Abhänge der Gebirge bedecken, so schafft man in allen Klimazonen kommenden Geschlechtern ein zwiefaches Ungemach: Mangel an Brennholz und Wasser."

Bis zu seinem Lebensende beschäftigte ihn der Einfluss des Waldes auf das Klima. Im Jahr 1858, kurz vor seinem Tod, wies er nochmals auf dessen überregionale Klimawirkung hin:"Ich erinnere daran, dass der größere Teil des Klimas nicht in dem Orte selbst, wo die Entholzung vorgeht, sondern viele hundert Meilen davon entfernt gemacht wird." Dass der Mensch allerdings schon in relativ naher Zukunft in der Lage sein könnte, das globale Klima zu ändern, und zwar vor allem durch die von ihm als Klimafaktor genannte "Entwicklung großer Gasmassen", ahnte Humboldt nicht. In seinem Werk Central-Asien schreibt er: "Diese [anthropogenen] Veränderungen sind ohne Zweifel wichtiger als man allgemein annimmt; aber unter den zahllos verschiedenen, zugleich wirksamen Ursachen, von denen der Typus der Klimate abhängt, sind die bedeutsamsten nicht auf kleine Lokalitäten beschränkt, sondern von Verhältnissen der Stellung, Konfiguration und Höhe des Bodens und von den vorherrschenden Winden abhängig, auf welche die Zivilisation keinen merklichen Einfluss ausübt."

Damit hatte er zu seiner Zeit zweifellos recht: Im Jahr 1843 übte die Zivilisation auf den "Typus der Klimate" noch so gut wie keinen Einfluss aus. Seither jedoch ist die Weltbevölkerung von 1,2 auf 6,6 Milliarden Menschen angewachsen. Vor allem der Ausstoß an CO2 – dessen Wirkung als Treibhausgas Humboldt noch nicht kannte – hat sich inzwischen als bedrohlicher Klimafaktor erwiesen. Er stieg durch die Industrialisierung immens an. Seit Humboldts Bemerkung über die Gasemission als anthropogenen Klimafaktor nahm der CO2-Ausstoß von 1840 bis heute um das Mehrtausendfache zu; die Gesamtkonzentration von CO2 in der Atmosphäre ist in diesem Zeitraum von damals circa 280 ppm auf circa 385 ppm angestiegen. Humboldt hatte zwar den Klimafaktor Mensch erkannt, nicht aber dessen künftige, erschreckende Wirkung.

Herzliche Grüße,
Dein Frank