Planungen und Vorstellungen für lange Reisen entsprechen oft nicht den eigentlichen Gegebenheiten, die sich während einer Fahrt plötzlich einstellen. Es sind eben nur Dokumente, Flugzeiten und Routen, die an alle Fahrtteilnehmer via E.Mail verteilt werden.

Hamburg/Lissabon/Las Palmas/Mindelo. Um 3:30 Uhr sitze ich mit meiner Frau und meinem kleinen Sohn schweigend im Auto auf der A 7 Richtung Flughafen Fuhlsbüttel. Die Autobahn ist einmal frei von den obligatorischen Staus. Im Elbtunnel überholen wir einsame Lastwagenfahrer auf ihrem Weg durch die Nacht.

Rückblick

Vor wenigen Monaten kam die Anfrage vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar), ob ich eine Expedition auf dem Forschungsschiff "Meteor" zum Äquator begleiten möchte. Im Oktober 2005 war ich schon einmal auf der "Meteor". Es war die M 66/1, die mich vor die Küste Costa Ricas und Nicaraguas führte. Unser Blog für das Abendblatt war damals einer der ersten Versuche, eine Forschungsreise im Internet fast live zu verfolgen. Wieder an Land schrieb ich gemeinsam mit dem damaligen Fahrtleiter Prof. Gregor Rehder ein Buch über die Expedition. Viele Eindrücke und Ergebnisse der Reise flossen ein in die Konzeption für das Deck 7 im Internationalen Maritimen Museum, auf dem in Zusammenarbeit mit den führenden Instituten Geschichte und aktuelle Themen der Meeresforschung präsentiert werden. Von Anfang an war es unser Ziel, diesen Bereich der Ausstellung immer wieder zu aktualisieren. Was liegt da also näher, erneut auf ein Forschungsschiff zu gehen? Noch dazu, wenn für 2010 eine große Sonderausstellung über die "Meteor" geplant ist.

Mit Prof. Peter Tamm saßen wir in einer kleinen Runde zusammen, um das Für und Wider eines solchen Unternehmens zu besprechen. Die Chance, unser Deck 7 mit weiteren, neuen wissenschaftlichen Aspekte zu vertiefen, wollte wir natürlich wahr nehmen. Viele Freunde, Institutionen und Firmen sagten schnell ihre Unterstützung zu. Erste konstruktive Gespräche mit der Leitstelle Meteor/Merian an der Uni Hamburg folgten. Dort wird der Einsatz der Forschungsschiffe geplant. Inhaltlich befruchtend waren die Gespräche mit Vertretern der Senatskommission für Ozeanographie und natürlich die ersten Vorgespräche mit dem wissenschaftlichen Fahrtleiter der M 80/1, Prof. Peter Brandt, der nun für die nächsten Wochen auf See mein "Chef" sein wird. Große Freude auch, als " Vesseltracker " aus Hamburg sich bereit erklärte, eine Karte zu erstellen, auf der die aktuellen Schiffspositionen verfolgt werden können. Erstmals werden auch 3-D Bilder von der "Meteor" und den wissenschaftlichen Arbeiten an Bord gesendet, unterstützt von 3D-Picture.net.

"Na, dann ziehen Sie mal los . . . " sagte Peter Tamm - und die Sache war beschlossen.

Vor einiger Zeit hatte er mir gesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass ich in seinem Museum als fester Angestellter meine Ideen verwirklichen könne. Ich war froh über dieses Verständnis, das nicht viele aufbringen können. In seinen Augen scheine ich wohl so etwas wie ein "Meeressäuger" zu sein, der die Freiheit und die Weite der Meere braucht, um überleben zu können. Im Museum stellte er ohne zu Zögern einen ganzen Speicherboden für die Meeresforschung zur Verfügung. "Die Zukunft", wie er stets betont. Mit großem Respekt verfolgt er die Arbeit der Wissenschaftler. So fand ich dort eine kleine Wirkungsstätte - als "Meeressäuger", ohne feste "Land-Anstellung", um den Menschen nicht nur die drängenden Fragen der Zukunft nahezubringen, sondern auch ihre Wurzeln: Denn alles Leben kommt aus dem Wasser.

Am Flughafen nehme ich von meiner Familie Abschied: Mein Sohn Vincent schaut mir traurig in die Augen und bittet um viele E-Mails. Wie sich die Zeiten ändern - als Kinder eines Seefahrers warteten mein Bruder und ich früher noch sehnsüchtig auf die blau-weißen Luftpostbriefen, die oft Tage und Wochen unterwegs waren.

"Abfluchen" bis zum Ende des Fluges

21 Stunden bis Mindelo auf Sao Vicente, eine der Kap Verdischen Inseln, liegen vor uns. Ebenfalls ab Hamburg fliegen die Expeditionsteilnehmer Jürgen Fischer, Uwe Koy, Gerd Niehus, Uwe Papenburg und Andreas Pinck vom IFM-Geomar. Wie Gepäckstücke, mit Codes und Zahlen versehen, werden wir von Flughafen zu Flughafen durchgereicht. Fliegen ist Massenguttransport auf hohem Niveau. Die Zwischenmahlzeiten haben sich auf den kleinsten ertragbaren Kompromiss beim Kaffee reduziert. Das Omelett, welches über dem Atlantik gereicht wird, könnte auch gut aus einem Chemielabor kommen.

In Lissabon dann der erste längere Zwischen-Stopp. Ich nutze die Zeit, um das Marine Museum zu besuchen. Es befindet sich im Westflügel des Hieronimus-Klosters, ganz in der Nähe des Flusses Tejo und der Stelle, von der aus die portugiesischen Schiffe zu ihren Entdeckungsreisen in die Weltmeere aufbrachen. Die Sammlung hat ihren Ursprung im 18. Jahrhundert mit den Schiffsmodellen der Königlichen Armada. Es gibt insgesamt 15 Säle, die den Besucher in die portugiesische Schifffahrtsgeschichte führen. Gleich am Anfang eine überlebensgroße Statue von Vasco da Gama. Am Ende der Pavillion der Galeoten - eindrucksvoll.

Zurück zum Flughafen. Von Lissabon sollte der Flug eigentlich direkt nach Praia, Hauptstadt der Republik Kap Verde auf der Insel Santiago gehen. Die Fluggesellschaft entscheidet anders. Wir landen außerplanmäßig in Las Palmas. Eineinhalb Stunden sitzen wir wie angeklebt auf unseren Plätzen fest und beobachten genervt die logistische Abenteuertour unserer "Zeitlupencrew". Mit einem Handzähler werden immer wieder die Passagiere durchgezählt, Handgepäck wird etliche Male über unseren Köpfen umgeschichtet. Endlich geht es weiter und nach dem letzten Zwischenstopp in Praia steigen wir in eine kleine Propellermaschine. Tief in der Nacht erreichen wir Sao Vicente. Dort, im Hafen von Mindelo, wird in zwei Tagen die "Meteor" erwartet.

Noch stehen wir am Gepäckband. Banges Warten. Einer aus dem Technikteam verdingt sich in seiner Freizeit wahrscheinlich als Wahrsager: "Hier wird das Gepäck nie ankommen ..." Er behielt Recht: Abfluchend werden wir - ohne Gepäck - von unseren Agenten in unsere Hotels gebracht.